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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hinter sich her. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er atmete tief durch und riss die Tür zu Rusanien auf. Eine eisige Bö warf ihn beinahe um.
    Das Pony hob den Kopf und spitzte die Ohren, dann stampfte es erwartungsvoll mit dem linken Vorderhuf auf und blies Tobbs einen keuchenden, warmen Atemstoß in den Kragen. Anguanas Zähne klapperten vor Kälte, als sie neben ihn trat und ihn zum Abschied kurz umarmte.
    »Viel Glück, Tobbs. Und pass auf dich auf!«
    »Danke!«, sagte er aus tiefstem Herzen. »Und pass du auf dich auf. Nach dem fünften Glas werden die Furien streitsüchtig.«
    »Sollen sie nur, wer mit mir streitet, bekommt es mit den Quellgeistern zu tun. Los, los!« Sie gab dem Pony einen Klaps und ehe Tobbs sichs versah, hatte es ihn bereits über die Schwelle mitgezogen.
    Eine Sekunde später fand er sich auf rusanischem Boden wie-der – das heißt: knietief im Schnee, unter einem sternenklaren Himmel, von dem ein satter orangeroter Vollmond schien. Hier musste es bereits Mitternacht sein. Die Taverne war nur noch ein dunkles Gebilde – die optische Täuschung einer Wand aus Schatten und helleren Birkenstämmen. Niemand, der durch den Wald irrte, würde jemals auf die Idee kommen, dass sich zwischen den Birkenstämmen eine Tür befand. Nur ein schmales Rechteck aus Licht verband Tobbs noch mit dem vertrauten Gasthaus.
    Tobbs sah das Aufblitzen von Anguanas goldblondem Haar, das hinter der zuklappenden Tür verschwand, dann war er allein im dunklen Wald.
    Tobbs schielte zu dem Pony und das Tier erwiderte seinen Blick ebenso misstrauisch. Und, was jetzt?, schien es zu fragen. Tobbs erinnerte sich an Anguanas Lektion und führte sein Reittier entschlossen von der Tür weg. Es setzte sich tatsächlich in Bewegung und folgte ihm brav zu einer breiten Kiefer mit tief hängenden Zweigen. Dort ließ Tobbs es anhalten, warf den Zügel über einen Ast und rannte zu der Tür zurück, um die Hufspuren im Schnee zu verwischen. Wieder im Versteck, konnte er die Taverne bereits nicht mehr sehen, aber er würde Wanja hören.
    Weniger als eine Minute später saß Tobbs im Sattel, Anguanas Seil fest um die Taille verzurrt. In seinem Bauch hüpfte eine panische Kröte auf und ab, die sich nur langsam beruhigte. Er atmete die eisige Nachtluft und fasste wieder Mut. Bis jetzt lief alles glatt. Er konnte es selbst kaum glauben – er saß auf einem Reittier. Eisflocken froren an seinen Wimpern fest und in der Ferne heulte ein Wolf. Endlich, als das Pony schon ungeduldig scharrte und die Kälte durch die Nähte im Pelz zu kriechen begann, öffnete sich die Tür. Stimmen drangen in den nachtstillen Wald und wurden gleich darauf vom wattedichten Schnee verschluckt.
    Hektisch zog er die Zügel an und lauschte. Das Pony spitzte die Ohren. Dopoulos brummelte etwas und Wanja antwortete. Gleich darauf hörte Tobbs dumpfen Galoppschlag. Er kam näher und näher, stampfte direkt hinter der dicken Kiefer vorbei und wurde wieder leiser. Das Pony warf ungeduldig den Kopf hoch und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Zaum. Kein Zweifel – es wollte laufen. Tobbs wartete noch, bis die Tür wieder ins Schloss fiel, dann drückte er kräftig die Fersen in die Seiten des Ponys und gab die Zügel frei.
    Der scharfe Ruck nahm ihm die Luft. Das Pony, durch zehn Kilo Hafer bestens aufgetankt, schoss so schnell los, dass er hart in den Sattel zurückgeworfen wurde. In dem schreckstarren Moment, in dem das Tier Tobbs mit einem hinterhältigen Ruck die Zügel aus den Händen riss und er sich verzweifelt an die Mähne klammerte, erkannte er, dass er eine Dummheit begangen hatte.
    Dieses Pony war ganz offensichtlich kein gewöhnliches Pony. Es war ein Kurierpferd und es verstand sein Geschäft. Es hatte bestimmt hart gearbeitet, um so weit zu kommen. Früher hatten es die anderen Ponys wegen seiner kurzen Beine ausgelacht, und gerade deswegen war es von jeher fest entschlossen, das Unglaubliche zu schaffen. Wenn es schlief, träumte es davon, die schnellsten Rennpferde Rusaniens mit hämischem Wiehern zu überholen und ihre Rekorde voller Triumph in Grund und Boden zu stampfen. Im wachen Zustand lebte es diesen Traum. Es war besessen, es war fanatisch, es war zu allem bereit.
    Unter seinen Hufen raste der Schneeboden dahin, ab und zu nur blendete Tobbs das Aufblitzen eines Hufeisens. Mähnenhaar verfing sich in seinem Mund und er spuckte und keuchte, während ein gewaltiger Sog ihm die Lider zudrücken wollte. Der Schnee stach wie tausend Nadeln

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