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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ihrer Bewohner. Und Jaga war tot.
    Man erkannte sie nicht einmal mehr. Blutiger Stoff war in die Erde gestampft, ein zerrissenes Kopftuch hing einsam und verloren an einem Ast. Es war rot, mit lila und neongrünen Punkten.
    »Sie haben sie – einfach niedergeritten und hingemetzelt!«, flüsterte Wanja fassungslos. »Wie konnte das passieren?«
    Tobbs wusste keine Antwort. Entsetzen lähmte ihn und ließ jedes seiner Haare zu Berge stehen. Hilfe suchend sah er sich nach dem Fuchs um.
    Das Tier hatte sich neben dem rauchenden Baum niedergelassen und sah – ja – ausgesprochen zufrieden aus. Und nun, als Tobbs ihm direkt in die goldbraunen Augen sah, schüttelte der Fuchs ganz deutlich den Kopf und … zwinkerte Tobbs mit einem Auge zu. Tobbs stutzte.
    »Wanja?«
    Die Schmiedin schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Was?«
    »Kann Jaga sich in ein Tier verwandeln?«
    Das Schniefen hörte auf. Wanja blinzelte ihn ratlos an und stand auf. »Nein, kann sie nicht. Warum?«
    Tobbs deutete auf den Fuchs, der nach einem herzhaften Gähnen demonstrativ angewidert das geschmacklose Kopftuch betrachtete, bevor er zu dem Bündel trabte und in aller Ruhe am blutigen Schnee leckte. Tobbs war entsetzt, aber Wanja packte ihn an der Schulter und atmete hörbar auf.
    »Hühnerblut! Tobbs, wir sind Idioten!« Sie lachte, während ihr die Tränen noch über die Wangen liefen, und schritt entschlossen zu dem Bündel. Ohne zu zögern, griff sie nach einem Stofffetzen und hob ihn hoch.
    »Ein roter Kittel mit lila und rosa Streifen!«, stellte sie fest. »Und dann dieses Kopftuch – Tante Jaga würde wirklich eher sterben, als so etwas zu tragen! Sie hasst Lila und Rot. Und Neongrün und Rosa sowieso.«
    Sie hat Rot gesehen – Tobbs kamen die Worte der Türglocke in den Sinn. Langsam dämmerte ihm, dass die Türglocke vielleicht gar kein so schlechtes Gedächtnis hatte.
    »Das Wasser steht ihr bis zum Hals«, murmelte er. »Schlechtes Wetter hier. Viele Touristen. Da hat sie Rot gesehen. Und Leschij besucht.« Der Fuchs stieß einen keckernden Laut aus, der wie ein Lachen klang, und verschwand im Unterholz. Tobbs grinste triumphierend. »Das ist Jagas geheime Botschaft!«
    Wanja schlug sich an die Stirn.
    »Ich bin ein Hornochse! Klar! Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen! Das Wasser steht ihr bis zum Hals – Jaga liegt gern in der Badewanne und manchmal döst sie im heißen Wasser ein und sieht Dinge, die noch weit entfernt sind, wie in einem Spiegel. Sie muss von den Reitern geträumt haben: Sie hat Rot gesehen – viele Touristen, also rote Reiter – und dann – Leschij – ist sie in den Wald geflohen. Das heißt, ihr ist aller Wahrscheinlichkeit nach gar nichts passiert! Und was auch immer da liegt, Jaga ist es nicht. Aber die Reiter sollten in dem Glauben gelassen werden, sie hätten sie umgebracht.«
    »Sie hat ihren Tod also nur vorgetäuscht«, spann Tobbs den Faden weiter. »Mit Hühnerblut und Kleidung, die sie nie getragen hätte – was die Reiter natürlich nicht wissen konnten. Aber als Zeichen an dich würde es funktionieren. Und vermutlich hat sie den Fuchs beauftragt, uns einen Hinweis zu geben.«
    Wanja nickte. Ihre Wangen glühten. »Gut. Also ist es ihr gelungen zu fliehen. Aber wohin? Was hat der Knochenkopf noch gesagt?«
    »Er hat einen Walzer gesummt.«
    Wanja dachte angestrengt nach. »Ein Tanz, ein Tanzplatz – das könnte die Lichtung am verborgenen See sein.« Ein verklärtes Lächeln huschte über ihr Gesicht und ließ es weich erscheinen. Der Abglanz einer sehr angenehmen Erinnerung lag darauf. »Meine Tante war schon immer schlau – das ist ein Ort, den nur sie und ich kennen. Der Tanzplatz der Tümpelnixen! Als Mädchen wollte ich immer so hübsch und zierlich sein wie die Flossenmädchen. Einmal bin ich dorthin geschlichen und habe mit ihnen getanzt.« Sie seufzte. »Zum Glück hat mich Tante Jaga gefunden und mich aus dem Tümpel gefischt, bevor ich ertrank. Es ist nicht weit von hier. Allerdings müssen wir zu Fuß gehen, das Gehölz ist zu dicht für Rubin.«
    Mit Schwung nahm sie die beiden riesigen Satteltaschen vom Pferderücken und gab Rubin einen Klaps auf den Hals. »Halt dich in der Nähe!«, befahl sie. »Aber falls du die Reiter siehst, lauf zu Jagas Haus zurück und lenke sie ab, verstanden?«
    Rubin fletschte abenteuerlustig die Zähne und warf den Kopf hoch. Dann preschte er davon. Tobbs atmete auf. Ohne Pferd fühlte sich der Aufenthalt in

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