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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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himmelblau gekachelten Badezimmer.
    Baba Jaga war wirklich eine Hexe, denn auf den Kacheln spiegelte sich bewegte Meeresbrandung. Der Badezuber hatte die Form einer bauchigen Muschel.
    Doch in der Mitte des Badezimmers waren die Kacheln gesplittert. Ein Loch gähnte im Boden. Wanja beugte sich gerade darüber.
    »Die Truhe ist weg!«, donnerte sie. »Bannik, verdammt noch mal, was war hier los?«
    Eine nasse blaue Hand erschien auf der Muschel, dann noch eine, schließlich schob sich ein überirdisch hübsches Jünglingsgesicht über den Badewannenrand.
    »Ich habe es nicht gesehen«, rauschte er mit einer Stimme wie Welle und Gischt. »Jaga hat gesagt, ich solle verschwinden, da habe ich mich verflüssigt und im Abfluss verkrochen – es war schrecklich laut, viel Gepolter, die Hütte hüpfte.«
    »Hast du etwas gesehen?«
    »Nur gehört. Sie brüllten schrecklich in einer fremden Sprache. Es klang wie rückwärts gesprochen mit Halsentzündung. Sie waren sehr wütend. Und dann waren alle weg.«
    »Weiß denn überhaupt jemand, was in diesem Haus vor sich gegangen ist?«, brüllte Wanja. »Wozu hat Jaga magische Geschöpfe im Haus, wenn ihr euch alle hinter Sesseln und in Rohren verkriecht?«
    »Nun ja, ich bin nur für das Wasser zuständig«, entgegnete der Jüngling gekränkt. »Es muss immer exakt 46,8 Grad Celsius haben und …«
    Wanja winkte müde ab. Der Geist des Bades machte ein beleidigtes Gesicht und zerfiel in einen Tropfenschauer. Das Letzte, was Tobbs von ihm hörte, war ein vorwurfsvolles Gurgeln.
    Wanja rieb sich die Augen und stand so langsam auf, als wäre sie um hundert Jahre gealtert.
    »Sollen wir suchen?«, fragte Tobbs. »Die Truhe war hier unter den Kacheln, richtig? Vielleicht war Baba Jaga ja schneller als die Einbrecher und hat sie mitgenommen!«
    »Oder aber sie hatte sie schon vorher woanders versteckt und die Angreifer haben dieses Loch ganz umsonst in den Boden geschlagen. Das ist wahrscheinlicher, denn Jaga hat die Angewohnheit, ihre Wertsachen immer wieder umzulagern.«
    »Dann müssen wir sie finden!«
    Wanja seufzte und schlurfte wieder die Treppen hoch. Oben angekommen ließ sie sich auf den Drachenstuhl fallen. Von vorne betrachtet sah sie nun aus, als würden ihr zwei gewaltige hölzerne Flügel aus den Schultern wachsen. Und die – so fand Tobbs – standen ihr ausnehmend gut.
    »Na wunderbar«, murmelte sie. Und dann sah sie Tobbs an, als hätte sie unendliches Mitleid mit ihm. Ihm wurde ganz flau im Magen.
    »Was ist in der Truhe?«, fragte er. Wanja winkte ihn heran und nahm zu seiner Überraschung seine Hände.
    »Etwas, was auch für dich wichtig sein kann. Etwas, was wir brauchen, für die Taverne – und für dich.«
    »Es geht um den Schatz, nicht wahr? Warum wollen die Reiter ihn haben? Aus welchem Land kommen sie?«
    »Wie es wirklich heißt, weiß ich nicht, man nennt es nur das Rote Land. Und wir haben aus gutem Grund keine Tür, die von dort aus in die Taverne führt. Sie suchen nach … magischen Gegenständen.«
    »Und der Schatz in der Truhe, das ist ein magischer Gegenstand.«
    »Ohne ihn keine Taverne«, sagte Wanja schlicht. Tobbs fröstelte. Das war ja noch viel schlimmer, als er angenommen hatte!
    »Wir müssen Tante Jaga finden«, fuhr Wanja fort. »Vielleicht hat sie Glück gehabt und konnte tatsächlich in den Wald fliehen.«
    Sie sah ihm direkt in die Augen – sie hatte schöne blaue Augen, fast so blau wie die von Anguana, mit langen Wimpern, und Tobbs wunderte sich einmal mehr darüber, dass jemand die dämonenschöne Wanja für einen Mann halten konnte. Rusanien war ein Land voller Rätsel.
    »Tobbs, du hast leider keine Wahl. Ich kann nicht in die Taverne zurück, bevor ich Jaga nicht gefunden habe und weiß, was mit der Truhe geschehen ist.«
    »Natürlich nicht!«
    »Es kann gefährlich werden und mir ist gar nicht wohl dabei, dass du mich begleitest, aber vielleicht muss es so sein. Hast du Angst?«
    »Natürlich habe ich Angst«, antwortete Tobbs heftig. »Was glaubst du denn? Wenn du es genau wissen willst, wird mir beim Gedanken, dass die Taverne in Gefahr ist, ganz schlecht. Schließlich ist sie das einzige Zuhause, das ich habe. Also muss ich mitkommen.«
    Wanja lächelte. »Das ist mein Tobbi«, sagte sie und schlug ihm so auf die Schulter, dass er unwillkürlich ein wenig in die Knie ging.

AUF DER FUCHSSPUR
    Im Haus war nichts zu finden. Tobbs staunte nicht schlecht, wie groß und verwinkelt das Hexenhäuschen von innen

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