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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Spalt. Der Baum war offen! Allerdings war der Spalt nur so breit, dass bestenfalls Tobbs hindurchpassen würde. Wanja zupfte an seinem Hosenbein. Sofort verharrte er. Jetzt fiel es ihm ebenfalls auf: die plötzliche, absolute Stille.
    Das Nächste, was er hörte, war, dass Wanja ihr Gewehr entsicherte. Wie eine Gämse balancierte sie mit abgestützten Beinen in dem Baumstamm, gehalten nur durch die Kraft ihrer Beinmuskeln.
    »Klettre weiter!«, zischte sie ihm zu, doch Tobbs warf einen Blick nach unten in die Höhlung, die sie eben hinter sich gelassen hatten. In diesem Augenblick steckte der rote Reiter seinen Kopf durch das Eingangsloch im hohlen Baum, blickte nach oben und sah Tobbs direkt ins Gesicht.
    Durch eine schmale Öffnung in seinem Helm glitzerten Tieraugen mit geschlitzter Pupille. Tobbs erstarrte. Der Blick durchschauerte ihn wie eine kalte Dusche und ließ nur einen gefrorenen Gedanken zurück: War er erkannt worden?
    Der Reiter fletschte blitzende Raubtierzähne. Dann zerriss ein Knall die Stille und Tobbs wäre beinahe gestürzt. »Klettre einfach weiter – ich komme nach!«, zischte Wanja ihm zu. Erst jetzt, als der Rauch von explodiertem Schießpulver ihm in die Nase stieg und ihn aus seiner Benommenheit holte, gehorchte er. Wanja hatte den Reiter mit dem Schuss in die Flucht geschlagen, doch draußen erhob sich nun aufgeregtes Geschrei. Wanja feuerte noch einmal in Richtung Eingang und sprang wieder auf den Boden.
    Eine Sekunde später hörte Tobbs, wie sie schwere Nägel in den Stamm trieb, und atmete erleichtert auf: Wanja vernagelte den Eingang von innen mit dem Holz, das sie mitgebracht hatte. Und wenn Wanja eine Tür baute, bekam kein noch so magisches Wesen sie von außen wieder auf.
    Mit neuem Mut zog Tobbs sich durch den Spalt nach draußen. Kalte Nachtluft umfing ihn, während er flink über die vereisten Äste kletterte, immer darauf bedacht, möglichst gut im Sichtschutz des dicken Stammes zu bleiben. Unten galoppierten die Reiter wie besessen vor dem verrammelten Eingang hin und her und schlugen mit langen Schwertern auf das Holz ein. Klingen und Lanzenspitzen blitzten im Fackelschein auf. Tobbs kletterte noch ein paar Meter höher und klammerte sich an den Stamm. Hoffentlich kam keiner der Verfolger auf die Idee, nach oben zu schauen!
    Einige Meter unter ihm erklangen mehrere abgehackte Schläge, dann hatte Wanja den Spalt, durch den Tobbs hinausgeklettert war, so weit verbreitert, dass sie sich ebenfalls ins Freie ziehen konnte. Ihren Werkzeugpacken zog sie hinter sich hoch und schulterte ihn.
    »Asoko!«, schrie ein Reiter und deutete mit einer Lanze auf Wanja. Und schon zischten drei Pfeile in ihre Richtung.
    Tobbs hatte noch nie erlebt, wie es war, wenn sein Körper Entscheidungen traf, während sein Geist noch wie ein kleines Kind mit erhobenem Zeigefinger dastand und »aber … aber …« stammelte. Als er das nächste Mal bei sich selbst zu Besuch war, saß er ungefähr zehn Meter weiter oben neben Wanja, völlig außer Atem, mit aufgeschürften Händen und schmerzenden Muskeln. Die Pfeile steckten weit unter ihm an der Stelle, an der er sich gerade eben noch befunden hatte. Wanja lud ihr Gewehr nach und zielte auf die Reiter. Blitzartig brachten sich die roten Krieger in Sicherheit.
    »Los, noch höher rauf!«, flüsterte Wanja.
    »Gib mir das Werkzeug, dann hast du die Hände für das Gewehr frei!«, gab Tobbs zurück.
    Trotz der Last, die an seinen Schultern zerrte, war er noch nie so schnell geklettert. Die Angst machte ihn leicht und ließ sein Blut prickeln, als wäre es Limonade. Ast für Ast zog er sich immer höher und zuckte nicht einmal zusammen, als er erneut Gewehrschüsse hörte. Dann wurde es verdächtig ruhig. Er wartete, bis Wanja wieder neben ihm ankam. Unter ihrem Gewicht bog sich ein dicker Ast.
    »Keine tolle Idee, hier raufzuklettern«, knurrte sie. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Munition alle ist. Und ich wette, die wissen das. Wenn sie nicht ohnehin gerade dabei sind, auf der anderen Seite am Baum hochzuklettern.«
    Tobbs leckte sich nervös über die Lippen, die in dem schneidenden Wind längst blau angelaufen waren. Wanjas Werkzeug drückte in seinen Rücken. Ein Axtgriff, der Hammerkopf und das Bündel mit Spezialnägeln, die Wanja eigenhändig geschmiedet hatte. Auf Wiedersehen, hallte es in seinem Kopf. Sonne, Strand und das Wasser stehen der Baba Jaga bis zum Hals. Und dann machte es irgendwo in seinen Gehirnwindungen magischerweise

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