Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
Rusanien schon deutlich besser an.
    »Hier«, sagte Wanja und lud Tobbs eine der beiden schweren Taschen auf. »Und jetzt folge mir!«
    Tobbs hatte erwartet, einen verzauberten See vorzufinden. Und bei der Aussicht, gleich echte rusanische Nixen zu sehen, bekam er Herzklopfen. Aber als sie nach einer anstrengenden Stunde Fußmarsch eine winzige Lichtung erreichten, war da nichts außer einem eingeschneiten, schmucklosen Weiher und ein paar alten, schäbigen Bäumen.
    »Leise, die Nixen schlafen im Winter«, befahl Wanja. »Also trample nicht zu laut auf dem Eis herum.«
    Vorsichtig schlich sie über die verschneite Eisfläche. Von Baba Jaga keine Spur. Was, wenn sie doch Unrecht hatten? Tobbs sank der Mut und auch Wanja wurde zunehmend nervös. Mehrmals umrundete sie den Tümpel, blickte hinter jeden Baum und ließ einen trillernden Vogelpfiff hören, der jedoch nicht beantwortet wurde.
    »Nichts!«, meinte sie dann flüsternd. »Lass uns Pause machen und noch mal Satz für Satz durchgehen.«
    Tobbs hätte nie zugegeben, wie erleichtert er war, als Wanja in eine hohle Eiche kletterte und er sich endlich hinsetzen und etwas ausruhen konnte. Der Schlafmangel machte ihm immer mehr zu schaffen, aber auch Wanja schien vor Kälte zu schlottern.
    »Komm, rutsch rüber«, sagte sie leise.
    Sie kauerten sich aneinander und unterhielten sich nur noch flüsternd. Draußen wurde es dunkel, die Schatten verschmolzen mit der Nacht und die Nixen seufzten leise im Winterschlaf. Fuchsaugen leuchteten auf und verschwanden wieder.
    Tobbs hatte nicht bemerkt, wie er vor Erschöpfung einfach eingeschlafen war. Ein Teil seines Bewusstseins nahm noch wahr, dass Wanjas Arm auf seinen Schultern lag und der Pelz des Ärmels seine Wange kitzelte, der andere Teil aber träumte von Sonnenschein: Er fror nicht mehr, heiße Luft umfächelte ihn und es duftete nach Rosen und Honigkraut.
    Tschaui-Maui und auf Wiedersehen, sang der Schädel. In Tobbs’ Traum stak er auf einer Harpune und Wasser floss zwischen seinen Zähnen hervor. Doch sooft ihn Tobbs auch fragte, wohin sie Baba Jaga folgen sollten, der Schädel wiederholte nur stur seine Sätze. Manchmal verhaspelte er sich dabei und Tobbs’ Gedanken gerieten ins Stolpern. Tschaui-Maui. Maui-Tschaui – Maui – Mau … tschi …
    Tobbs erwachte davon, dass seine Oberlippe stechend schmerzte, weil sich eine Hand darauf presste. Und Luft bekam er auch keine. Erschrocken wollte er hochfahren, doch eiserne, starke Arme hielten ihn gefangen. »Leise!«, wisperte ihm Wanja ins Ohr. Erst dann nahm sie ihre Hand von seinem Mund und er konnte den Kopf senken und durch das Loch im Baum nach draußen spähen.
    Draußen war es Nacht, Fackellicht huschte über den Boden, ein Stampfen von scharfen Hufen erklang. Tobbs wagte nicht zu atmen. Was waren das für kehlige Laute, die ihm die Haare zu Berge stehen ließen? Dunkle, wenig menschenähnliche Stimmen, eher einem Tier ähnlich, das sich mit Rufen und mit Knurren verständigt. Drei verschiedene Stimmen konnte Tobbs ausmachen.
    Einen Augenblick war es plötzlich still, dann galoppierte etwas direkt vor ihrem Unterschlupf vorbei. Wanja und Tobbs zuckten zusammen, als sie den von schwachem Feuerschein erleuchteten Huf sahen. Wenn dieser Huf zu einem Pferd gehörte, musste es ein gespenstisches Tier sein, denn statt eines Fellbüschels wimmelte ein Bündel kleiner roter Schlangen um den Huf. Das Licht huschte weiter und der Galoppschlag wurde zu einem leisen Klirren, als die Reiter ihre seltsamen Rosse über den gefrorenen See laufen ließen.
    »Da sind sie!«, flüsterte Tobbs. »Und sie suchen uns.«
    »Nicht uns«, erwiderte Wanja. »Wir sind nur Wanderer. Aber sie werden uns kaum am Leben lassen, wenn sie uns entdecken. Und früher oder später werden sie natürlich auf die Idee kommen, hier nachzusehen.«
    Tobbs biss sich auf die Unterlippe und nickte. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Hilfe suchend sah er nach oben. »Der Baum ist bis zur Krone hohl!«
    Wanja folgte seinem Blick, dann nickte sie und forderte ihn mit einer Geste auf vorauszuklettern.
    Einfach war es nicht, die tauben Beine dazu zu bringen, sich zu bewegen, und die Angst machte es nicht besser. So leise wie möglich kroch Tobbs über schartige Ausbuchtungen nach oben, während seine Arme vor Anstrengung zitterten. Nur keine Geräusche machen! Draußen hallten gedämpfte Rufe durch den Wald. Noch waren die Reiter beschäftigt. Tobbs zog sich hoch und ertastete in der Dunkelheit einen

Weitere Kostenlose Bücher