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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihre dunkle Stimme schwang wieder wie eine Glocke … es war die Stimme, mit deren Klang in der Seele Serikow jeden Abend einschlief. »O Gott, warum?«
    »Nur du weißt, wie ich dich liebe …«
    »Mein letzter Brief …«
    »Ich habe ihn verbrannt und die Asche in den sibirischen Wind gestreut …«
    »Es gibt kein Zurück mehr, Waska Janisowitsch. Mein Gott, was hast du getan! Konnten wir nicht auseinandergehen, als hätte uns ein Nebel getrennt?«
    »Nein!« Serikow steckte die rechte Hand in die Manteltasche und umklammerte die Pistole. »Erinnere dich an die Nacht, als die Sternschnuppe vom Himmel fiel. Es war im Sommer, wir standen am Fenster und rangen nach Luft, wir waren wie betäubt von unserer Liebe …«
    »… und du hast gesagt: Wie dieser Stern in der Einsamkeit verglüht, gehe auch ich unter ohne dich …«
    »Ich bin untergegangen, Katjenka.«
    Er zog die Hand aus der Manteltasche. Die schwere Pistole blinkte in der kalten Sonne, aber er hob sie nicht, sondern sah Katja in die schwarzen Augen, in denen weder Angst noch Erstaunen lagen, sondern nur maßloses, unüberwindliches Mitleid.
    »Wohin hast du mich gebracht …«, sagte er leise. »Um unter einem Deutschen zu liegen, zerstörst du einen sowjetischen General. Katja Alexandrowna Susskaja … ich trage heute zum letztenmal meine Uniform –«
    Er wollte noch einmal die Arme ausbreiten und von seiner Liebe sprechen, aber Putkin drüben am Haus verstand es falsch. Er sah die Pistole, die Hand hob sich, hinter ihm piepste Nadeshna entsetzt auf, und Morotzkijs Gebiß knirschte schauerlich … da zog er den Finger durch, der Schuß hallte durch die gefrorene Stille und pflanzte sich als Echo fort, als hüpfe er über die Wipfel der Taiga.
    Serikow warf die Arme hoch, fiel in die Knie und sank nach vorn in den Schnee. Wie eine Statue stand die Susskaja vor ihm, und Putkin wollte sie schon anrufen, aus Angst, sie sei stehend gestorben und von einer Sekunde zur anderen erstarrt – man war an Unmögliches ja gewöhnt –, da sank auch sie ganz langsam in sich zusammen, warf sich über Serikow, nahm seinen Kopf zwischen beide Hände und küßte ihn.
    »Jetzt müßte Andrej kommen!« sagte Putkin so blechern, als blase er in ein Rohr. »Wenn er jetzt kommt … Nadeshna, bete, daß er noch weit weg ist …«
    Er war nicht weit weg. Er stand am Waldrand hinter einem dicken Baum, und niemand sah ihn dort. Vor seinen Füßen lag ein großer, grauer Wolf, den er in einer Grubenfalle gefunden und mit einem Knüppel totgeschlagen hatte.

XXV.
    Um allen Mutmaßungen vorzugreifen: General Waska Janisowitsch Serikow war nicht tot. Putkin hatte ihm zwar in die Brust geschossen, aber in der Erregung in die falsche Seite.
    »Natürlich weiß ich, daß das Herz nicht rechts liegt, auch nicht bei einem sowjetischen General«, schrie er, als Morotzkij ihm mit satanischer Schadenfreude und einem Ast die menschliche Anatomie in den festgetretenen Schnee zeichnete. »Aber Sie haben mit den Zähnen geklappert wie eine spanische Tänzerin mit ihren Kastagnetten, und Nadeshna hat gepiepst wie eine Haselmaus. Wie kann man da einen klaren Kopf behalten, he?«
    Das aber war schon Stunden später … was vorher geschehen war, lag noch wie eine schwere Müdigkeit in ihnen, so als seien sie wieder zehn Stunden auf ihren Flechtschuhen durch die Taiga gelaufen.
    Die Susskaja hatte mit schnellen Griffen die Uniform aufgerissen, nachdem sie die Küsserei beendet hatte, zerfetzte Serikows Unterhemd und drückte den Stoffballen auf die Wunde. Es sickerte nur wenig Blut hervor, dafür bildeten sich vor Serikows Lippen schaumige Blasen. Er war bei voller Besinnung, starrte Katja Alexandrowna aus klaren Augen an, aber sobald er etwas sagen wollte, quoll der rote Schaum aus seinem Mund.
    »Lieg ganz still, Washenka«, sagte sie leise. »Rühr dich nicht. Sprich kein Wort. Du wirst es überleben … ich verspreche dir, daß du es überlebst …« Dann zuckte ihr Kopf herum, die schwarzen Haare wehten über ihr wie ein aufgerissenes, verbranntes Gesicht, und sie schrie zum Haus hinüber mit einer Stimme, bei der es sogar Putkin kalt über den Rücken lief: »Komm her, Igor Fillipowitsch! Komm her, du Mörder! Trag ihn ins Haus, du Teufel!«
    Sie nahm wieder Serikows Kopf in beide Hände, wischte mit dem Handrücken den blutigen Schaum von seinen Lippen und zog den Fellmantel dichter um seinen Körper.
    Hinter dem Baum hervor trat Andreas ins Freie. Den großen, grauen Wolf schleifte er an

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