Die Verdammten der Taiga
ha?« schrie Putkin vom Herd. Er hatte das Feuer erstickt, seine Hände waren rot wie gesotten. Er hielt sie von sich und schüttelte sie. »Soll man es denen sagen, die da oben herumschweben? Laß sie herunterkommen, laß sie nur kommen. Ich werde ihnen entgegengehen und zurufen: Genossen, da drinnen ist die Lehrerin Abramowa, die systematisch gegen den sowjetischen Staat sabotiert, und da drinnen ist ein Professor, der seine Frau …«
»Nichts wirst du sagen, Igor Fillipowitsch –«, sagte Nadeshna sanft. Sie blickte Putkin an, und ihre blauen Augen hieben ihn um wie eine Axt einen Baum. Er lehnte sich gegen den heißen Ofen und wischte sich mit dem Unterarm über das Gesicht. »Du kannst mich doch nicht töten –«
Er starrte sie an, holte tief Luft und wußte, daß er es wirklich nicht konnte. Die Liebe hing so schwer an seinem Herzen, daß er sich umdrehen mußte, um nicht nach Morotzkij zu greifen und ihn einfach an die Wand zu werfen. Das lebende Gerippe wäre dann zerplatzt, aber gleichzeitig hätte er auch Nadeshna verloren.
Die Susskaja war zur Tür gegangen und spähte durch einen Spalt hinaus. Dann zog sie die Tür wieder zu, griff nach dem Gewehr, das an der Wand lehnte, lud es durch und drehte sich zu den anderen herum.
»Es landet«, sagte sie dunkel. »Es ist ein Militärflugzeug. Eine kleine Kuriermaschine mit Kufen. Es ist endgültig vorbei, Freunde …«
»Es fängt erst an!« Putkin stieß sich vom Ofen ab und streckte beide Hände aus. »Katja, gib mir das Gewehr.«
»Ich habe bewiesen, daß ich schießen kann«, antwortete die Susskaja plötzlich tonlos.
»Auf Tiere! Aber auf Menschen? Das ist etwas anderes, Katja Alexandrowna. Da ist einer wie du und ich … und der wirft dann plötzlich die Arme hoch, und Blut spritzt aus seinem Körper. Vielleicht sieht er dich noch einmal an, und diesen Blick vergißt du nie. Gib das Gewehr her!«
»Kannst du es, Igor?« Die Susskaja drückte das Gewehr an ihre Brust.
»Ja. Für mich ist es Notwehr.«
»Und ich töte für Andrej.«
Draußen erstarb das Motorengeräusch. Das Flugzeug sauste über das Eis des Flusses, kreiselte und prallte krachend gegen die Böschung. Etwas zerbrach mit einem kreischenden Ton.
»Metall!« sagte Putkin. »So schreit Metall auf, wenn es bricht. Kein guter Flieger, Freunde. Wie viele mögen es sein?«
»Zwei, höchstens drei, mehr faßt die Kanzel nicht.«
»Sie kennen sich gut aus in militärischem Gerät, was? Erstaunlich, Katja Alexandrowna, sehr erstaunlich!« Putkin griff plötzlich zu, entriß der Susskaja das Gewehr und verbarg es hinter seinem Rücken. Man mußte diesen Berg von Mensch jetzt schon zertrümmern, um wieder an die Waffe zu kommen. Morotzkij schrie erneut mit sich überschlagender Stimme unverständliche Worte, benahm sich wie ein Epileptiker, zuckte mit dem ganzen Körper und wollte sich tatsächlich auf Putkin stürzen.
Nadeshna hielt ihn fest. Und jetzt geschah etwas, was niemand verstand: Sie riß Morotzkij zurück, ohrfeigte ihn rechts und links und trieb ihn zu der Bank am Tisch zurück. Es war ein seltsames Bild, wie die schmale, zierliche Person auf den langen, dürren Morotzkij einschlug, die Schläge klatschten an seine eingefallenen Backen, und er hinkte nach rückwärts davon, sank schließlich auf die Bank, umfaßte seinen Kopf mit beiden Händen und starrte wie von allem Leben verlassen mit leeren Augen in die Gegend.
Putkin hatte die Tür wieder einen Spalt geöffnet und blickte hinaus.
»Es ist nur einer –«, sagte er fast mit Bedauern. »Nur einer in einem Pelzmantel, aber darunter trägt er Uniform. Freunde, er hat sich verflogen, das ist es. Er hat sich verirrt wie wir. Ein Leidensgenosse. Bedauerlich, daß er eine Uniform trägt … er muß erschossen werden.«
»Er sucht unsere Hilfe«, sagte die Susskaja und spähte neben Putkin ins Freie. Der Flieger stand hinter dem Leitwerk seines Flugzeuges und beobachtete das Haus. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, die Pelzmütze hatte er tief in die Stirn gezogen und den Mantelkragen hochgeschlagen. »Igor Fillipowitsch, wie lange sind Sie schon in Sibirien?«
»Ich weiß, ich weiß, schöne Dame!« Putkin schnaufte erregt. »In Sibirien sind alle Menschen Brüder und Schwestern. Aber es geht auch anders herum: Wer seinen Bruder verrät, dem wird der Kopf eingefroren. Was da gelandet ist, wird so ein Fall …«
»Können Sie hellsehen, Igor?«
»Ich sehe eine Uniform, Katja Alexandrowna. Müssen wir uns darüber
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