Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
runden Bauch. »Ich trage das Kind eines Löwen in mir.«
Ben starrte auf ihre Rundung, die er für nichts weiter als eine kleine Wampe gehalten hatte. »Das Kind eines Löwen?«
»Ich wurde etwa sechs Monate lang von einem Rudel gefangen gehalten. Vor ein paar Tagen ist mir die Flucht gelungen.«
Bens Ständer schrumpfte zusammen.
Zu wissen, dass diese Frau Löwennachwuchs in sich trug, veränderte die Situation völlig.
Im selben Moment hatte die Gruppe der Baumbewohner die Kirche erreicht. Das Trio stürmte die Stufen hinauf und verharrte auf dem Treppenabsatz. Die drei starrten verwirrt und ein wenig verängstigt zu Bens Statuen hinauf.
»Ich schätze, sie bewundern gerade mein Werk«, sagte Ben mit einem düsteren Grinsen. Er schaute die Frau an. »Wie gefällt es dir?«
»Ich finde es grauenvoll.«
Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, stellten sich die Baumbewohner vor das Tor und rüttelten daran.
»Wir wissen, dass du da drin bist! Komm raus!«
Drüben am Feuer knurrte Knirps.
Ben dachte darüber nach, mit der Frau am Feuer zu warten, bis die Baumbewohner sich wieder verzogen hatten, aber er wusste, dass sie das nicht tun würden. Nicht, wenn sie glaubten, dass sie sich allein oder mit einem anderen Überlebenden hier aufhielt. Aber falls sie entdeckten, dass ein Löwe die Kirche bewohnte, zogen sie bestimmt wieder ab.
Andererseits: Irgendwann musste es ohnehin zu einer Auseinandersetzung zwischen ihnen kommen, da sie nun einmal zwei verschiedenen Stämmen angehörten und sehr dicht nebeneinander lebten. Ben entschied, dass dieser Zeitpunkt genauso gut war wie jeder andere.
Er musste lernen, ein starker, stolzer Löwe zu sein, der sich vor niemandem fürchtete. Das hier war sein Revier, und das musste er ihnen verdeutlichen.
»Wir sehen dein Feuer! Wer du auch bist, lass uns rein. Wir wollen nur das Mädchen! Wir kommen sowieso irgendwann rein, aber du kannst es dir auch wesentlich einfacher machen.«
»Sind hier drin noch andere Löwen?«, flüsterte die Frau.
»Nein, nur ich. Oh, und Knirps.«
»Nur du? Aber du bist noch so jung.«
»Ich bin alt genug«, erwiderte Ben, ging zum Feuer und zog einen brennenden Ast heraus. Mit der Axt in der einen und der Fackel in der anderen Hand lief er zum Tor zurück.
Als sie Ben sahen, hörten die Baumbewohner auf, zu rufen und gegen das Tor zu hämmern. Sie blinzelten überrascht und, wie Ben erfreut feststellte, auch ein wenig nervös.
»Verschwindet«, befahl er mit seiner besten knurrenden Stimme. Er hielt die Axt auf Höhe der Flamme. Die Klinge glänzte. »Ich hab die Frau jetzt. Sie gehört mir.«
Die Baumbewohner sahen einander an. Auf ihren Gesichtern breitete sich ein Grinsen aus.
»Komm schon, Junglöwe«, sagte einer von ihnen. »Wir haben sie zuerst gesehen. Gib sie uns, dann lassen wir dich in Ruhe in deinem kleinen Bau spielen.«
Als er den herablassenden Tonfall in der Stimme des Mannes wahrnahm, stieg heiße Wut in Ben auf.
Junglöwe? In meinem kleinen Bau spielen?
Ben funkelte die drei an. »Verschwindet, sonst komm ich raus und hack euch alle in Stücke. Und danach nehm ich mir eure Familie vor. Ich weiß, wo ihr lebt. Ich hab euer Nest hinter dem Fluss gesehen.«
Es folgte Schweigen. Dann brach das Trio in schallendes Gelächter aus.
Bens Wagemut musste einen kräftigen Schlag einstecken.
Er hatte das Gefühl zu schrumpfen, und für einen Moment war er nur noch ein unsicheres 13-jähriges Kind, kein tapferer, furchteinflößender Löwe mehr.
»Wir haben keine Angst vor einem Junglöwen wie dir«, lachte einer der Baumbewohner. »Du bist ganz allein da drin, nehme ich an? Was kann ein Junglöwe schon gegen drei erwachsene Baumbewohner ausrichten?«
Diesmal hatte Ben keine Antwort parat.
Stattdessen wandte er sich ab und trottete wie ein verletztes Tier mit dem Schwanz zwischen den Beinen zu der Frau zurück.
»Komm wieder zu uns, oh, tapferer Krieger«, spotteten die Baumbewohner.
»Du siehst aus, als ob du frierst«, sagte Ben zu der Überlebenden. »Komm, setz dich zu mir und Knirps ans Feuer.«
Ben bemerkte den unsicheren Ausdruck auf dem leeren, schmutzigen Gesicht der Frau. »Dann wirst du mich nicht umbringen oder diesen Baumaffen zum Fraß vorwerfen?«
»Ich kann keinen von meinesgleichen töten«, antwortete er und ging zum Feuer hinüber.
Die Frau folgte ihm.
»Dann bist du einer von den Guten«, sagte sie. »Du erinnerst mich an jemanden, den ich kannte. Jemanden, der mir bei meiner Flucht geholfen
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