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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem flüchtigen Lächeln
zurück. »Glaub mir, Andrej, ich habe das auch schon versucht.« Sie
machte eine Kopfbewegung auf Ali Jhin.
»Meine Methoden sind vielleicht nicht so drastisch wie die deines
groben Freundes, aber mindestens ebenso wirksam. Sie wissen es
nicht. Es heißt, dass von Zeit zu Zeit einer ihrer wahren Herren auf
dem großen Sklavenmarkt von Damaskus erscheint, doch auch dann
nur in Verkleidung und unter falschem Namen, und wer weiß? Vielleicht ist auch das nur ein weiteres Gerücht, das sie ausgestreut haben, um für Verwirrung zu sorgen. Vielleicht gibt es sie gar nicht.«
»Was für ein Unsinn!«, grollte Abu Dun. »Der Kerl hier weiß mehr,
als er zugibt, und ich schwöre euch, er wird reden!«
Vielleicht hätte er noch mehr gesagt, doch in diesem Moment fuhr
Meruhe heftig zusammen und sah sehr erschrocken aus. Zugleich
erscholl weiter unten im Turm ein lauter Schrei. Einer der bewusstlosen Wächter musste aufgewacht sein und sich befreit haben!
»Jetzt wäre es an der Zeit«, würgte Ali Jhin hustend und keuchend
hervor, »euch zu entscheiden, ob ihr mich umbringen oder freilassen
wollt.«
»Ich nehme an, du lässt uns gehen, wenn wir dir das Leben schenken?«, erkundigte sich Andrej spöttisch. »Bekommen wir Pferde und
Lebensmittel und noch einen Beutel voller Gold, oder müssen wir
uns am Ende gar zu Fuß auf den Weg machen?«
Ali Jhin hob mühsam den Kopf und funkelte ihn aus einem halbwegs klaren und einem zugeschwollenen Auge an. »Wenn ihr sofort
aufgebt, verspreche ich euch einen schnellen Tod. Aber wenn
nicht…«
Abu Dun versetzte ihm einen Schlag mit dem Handrücken, der ihm
das Bewusstsein raubte. »Verdammt!«, sagte er. »Das hätte nicht
passieren dürfen! Wir hätten den beiden Kerlen doch die Kehle
durchschneiden sollen.«
Ein zweiter Schrei, diesmal vom Hof her, antwortete auf den ersten,
und plötzlich entstand überall Lärm und Aufregung. Andrej verzichtete darauf, zum Fenster zu gehen und hinauszusehen, er wusste auch
so, welcher Anblick sich ihm bieten würde. Die gesamte Festung
musste binnen kürzester Zeit auf den Beinen sein. Und binnen weniger weiterer Augenblicke auf dem Weg zu uns herauf, fügte er finster
in Gedanken hinzu.
»Und was habt ihr jetzt vor?«, erkundigte sich Meruhe. Sie klang
fast amüsiert, fand Andrej. »Wollt ihr es mit seinem ganzen Heer
aufnehmen? Ihr wisst, dass er nahezu dreihundert Männer hat?«
Abu Dun wollte auffahren, doch Andrej brachte ihn mit einer raschen Geste zum Schweigen. »Wieso wir?«, fragte er. »Du glaubst
doch nicht wirklich, dass er dich am Leben lässt?«
»Ich habe nichts getan«, antwortete Meruhe, erntete aber nur ein
überzeugtes Kopfschütteln.
»Ich glaube nicht, dass das einen Mann wie Ali Jhin interessiert«,
fuhr Abu Dun fort. »Du hast gesehen, was wir getan haben. Er wird
bestimmt keinen Zeugen für die Schande, die ihm widerfahren ist,
am Leben lassen.«
Das Geschrei draußen auf dem Hof war mittlerweile noch lauter
geworden. Hastige Schritte näherten sich, und fast glaubte Andrej
schon, sie auch draußen auf der Treppe poltern zu hören, auch, wenn
er sich selbst sagte, dass das nur Einbildung sein konnte. Aber es
würde nicht mehr lange dauern, bis aus dieser Einbildung Realität
wurde.
Er kam zu einem Entschluss. »Wir nehmen ihn mit.«
»Weil du hoffst, seine Männer würden Rücksicht auf ihn nehmen?«, fragte Meruhe und schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt
nicht.«
»Hast du eine bessere Idee?«, knurrte Andrej. Vermutlich hatte sie
Recht - aber es war die einzige Chance, die ihnen überhaupt blieb.
Ohne das sinnlos erscheinende Gespräch fortzusetzen, bedeutete er
Abu Dun, sich den bewusstlosen Sklavenhändler über die Schulter zu
werfen, und eilte bereits in den Vorraum hinaus. Vom unteren Ende
der Treppe erschollen aufgeregte Stimmen, die wild durcheinander
schnatterten. Es war tatsächlich noch schneller gegangen, als er befürchtet hatte: Er hörte die raschen Schritt von zwei oder drei Männern, die die Treppe heraufpolterten, während er sich über einen der
Bewusstlosen beugte und das Schwert aus seinem Gürtel zog.
Hinter ihm trat Abu Dun gebückt durch die Tür, Ali Jhin tatsächlich
wie einen zu groß geratenen Mehlsack über der Schulter tragend.
Meruhe bildete den Abschluss, und erneut fiel Andrej auf, wie wenig
beunruhigt sie doch wirkte. Dabei musste sie wissen, dass er Recht
hatte. Wenn Ali Jhin auch nur halbwegs der Mann war, als den er ihn

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