Die Verfluchten
der Sklavenhändler
sagte nichts. Als Andrej sich widerwillig zu ihm umdrehte, sah er,
das Meruhe seinen Kopf noch weiter zurückgerissen und den Druck
auf die Messerklinge deutlich verstärkt hatte. Die Schnittwunde an
seinem Hals blutete jetzt heftig.
»Meruhe«, sagte er beinahe sanft, »er wird nicht antworten können,
wenn du ihm die Luft abschnürst.«
Tatsächlich lockerte die Nubierin ihren Griff ein wenig, machte dabei aber ein verächtliches Gesicht. Ali Jhin rang keuchend um Atem,
doch nachdem Andrej ihm einen drohenden Blick zugeworfen hatte,
beeilte er sich, seiner Aufforderung nachzukommen. »Geht!«,
krächzte er. »Lasst sie… vorbei!«
Im allerersten Moment rührte sich keiner der Männer, doch auf dem
einen oder anderen Gesicht machte sich wieder ein Ausdruck breit,
der Andrej nicht gefiel. Nicht wenige dieser Krieger überlegten anscheinend tatsächlich, den Befehl ihres Anführers zu ignorieren und
erneut anzugreifen.
»Habt ihr nicht gehört!«, schrie Ali Jhin. Eigentlich krächzte er nur,
das aber in einem Tonfall, der die Männer erschrocken zusammenfahren ließ. »Ihr sollt die Treppe freigeben! Wartet unten auf uns!
Ich…«
Der Rest dessen, was er hatte sagen wollen, ging in einem
schmerzerfüllten Keuchen unter. Andrej drehte sich erschrocken um
und sah, dass Meruhe ihm einen tiefen, heftig blutenden Schnitt in
die Wange verpasst hatte.
»Was soll das?«, fragte er scharf.
»Er hat mehr gesagt, als er sollte«, antwortete Meruhe lächelnd.
»Dass sie unten auf uns warten sollen, war nicht vereinbart.« Ihr Lächeln wurde noch freundlicher. »Oder bist du sicher, dass das ganz
bestimmt keine versteckte Botschaft war?«
Andrej schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder der Treppe
zu. Sie war noch immer voller Krieger, aber nun war eine deutliche
Unruhe unter ihnen aufgekommen. Er versuchte, seine Ungeduld zu
zügeln. Wahrscheinlich drängten sich die Männer dicht an dicht bis
zum Fuß des Turms. Es würde eine Weile dauern, bis Ali Jhins Befehl ganz unten angekommen war, und dann noch einmal länger, bis
es den Männern überhaupt gelingen würde, die Treppe zu räumen.
Aber immerhin geschah etwas.
»Ich glaube, es funktioniert tatsächlich«, murmelte Abu Dun. Er
klang erstaunt.
»Ja.« Andrej nickte finster. »Weißt du, woran mich das hier erinnert?« Abu Dun schüttelte den Kopf, und Andrej fuhr fort: »An die
Nacht, in der ich dich kennen gelernt habe, Sklavenhändler.«
Ein bestürzter Ausdruck erschien auf Abu Duns Gesicht.
»Ich habe dir damals auch ein Messer an die Kehle gesetzt und deinen Leuten befohlen, mich passieren zu lassen, weil ich dich sonst
töten würde.«
»Hmm«, machte Abu Dun, und Meruhe fragte: »Und? Hat es geklappt?«
»Nein«, antwortete Andrej.
Es dauerte noch eine geraume Weile, aber schließlich begannen
sich die Krieger auf der Treppe langsam zurückzuziehen. Andrej und
Abu Dun folgten ihnen, ließen aber vier oder fünf Stufen Abstand
zwischen sich und den ersten Männern. Andrej überzeugte sich immer wieder mit raschen Blicken davon, dass auch Meruhe und ihr
Gefangener in Sichtweite der Krieger blieben.
Die Zeit, die sie brauchten, um die kleine Kammer am unteren Ende der Treppe zu erreichen, schien sich ins Endlose zu dehnen. Es
kam Andrej vor, als wäre der Turm mindestens fünfmal so hoch wie
bei ihrem Eintritt, und die Anzahl der Stufen schien sich verhundertfacht zu haben. Endlich aber traten sie in die winzige, nunmehr leere
Kammer, und der letzte Krieger verschwand rückwärts gehend vor
ihnen durch die Tür.
»Die Treppe draußen auch«, rief Andrej ihm nach. »Wenn ich nur
einen einzigen Mann darauf sehe, ist es um ihn geschehen.«
»Das hat sie jetzt aber bestimmt erschreckt«, spöttelte Meruhe. Fast
im Plauderton fügte sie hinzu: »Weißt du eigentlich, dass diese Männer ausgezeichnete Bogenschützen sind?«
»Ja«, grollte Andrej. »Du hast es mir ja gerade gesagt.«
»Ihr kommt niemals aus der Burg«, krächzte Ali Jhin. »Und wenn,
dann werden sie euch in der Wüste wieder einfangen. Ihr seid jetzt
schon tot, und je länger es dauert, bis ihr aufgebt, desto länger wird
euer Sterben dauern.«
»Meruhe«, sagte Andrej, und was immer Ali Jhin vielleicht noch
hatte sagen wollen, ging in einem neuerlichen, schmerzerfüllten
Keuchen unter. Andrej drehte sich nicht herum, doch Abu Dun meinte: »Nun ja. Jetzt sieht es wenigstens gleichmäßig aus.«
»Also gut!«, rief Andrej mit weithin hörbarer
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