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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Aus einem Auge, denn jetzt, bei besserem Licht, sah er, dass
Abu Dun Recht gehabt hatte. Ihr linkes Auge bestand aus Glas; eine
nahezu perfekte Nachbildung, die sich sogar zusammen mit dem anderen bewegte, dennoch aber ohne Leben war.
Als Andrej klar wurde, dass er keine Antwort bekommen würde,
nahm er das Schwert und durchtrennte rasch die Stricke, mit denen
ihre Handgelenke gebunden waren. Meruhe richtete sich mit einer
zornigen Bewegung auf, riss ihm die Waffe aus der Hand und machte sich selbst daran, auch ihre Fußfesseln zu lösen. Andrej trat hastig
ein paar Schritte vom Bett zurück und zog es vor, sich zu Abu Dun
zu gesellen, bevor sie auf die Idee kam, die Klinge zu benutzen, um
möglicherweise noch mehr zu durchschneiden als die Stricke an ihren Füßen. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte geschworen,
dass sie regelrecht wütend über sein und Abu Duns Auftauchen war.
Der Nubier hatte Ali Jhin mittlerweile grob auf die Beine gezerrt.
Der Sklavenhändler wirkte benommen, und Abu Dun schüttelte ihn
heftig, damit er nicht endgültig das Bewusstsein verlor. Andrej sah
ihm einige Augenblicke lang stirnrunzelnd zu, dann meinte er:
»Wenn du ihn wirklich wach bekommen willst, dann wäre es vielleicht hilfreich, wenn sein Kopf dabei nicht dauernd gegen die Wand
stieße.«
Das war zweifellos wahr, aber Abu Dun schüttelte Ali Jhin trotzdem noch ein halbes Dutzend Mal wild hin und her, wie eine
Dienstmagd in einem teuren Gasthaus oder dem Haus eines reichen
Mannes ein daunengefülltes Kopfkissen schütteln mochte. Dann
zerrte er den Sklavenhändler unsanft hinter sich her und stieß ihn so
heftig auf einen Stuhl hinunter, dass das Möbelstück in allen Fugen
ächzte. Ali Jhin krümmte sich und umklammerte stöhnend mit der
linken Hand sein gebrochenes Gelenk, doch als er den Kopf hob und
zu Abu Dun hochsah, stand in seinen Augen nur sehr wenig Schmerz
geschrieben, dafür aber ein umso größerer Hass.
»Ich weiß nicht, wer ihr seid«, sagte er gepresst, »aber ihr solltet
mich besser gleich umbringen. Lebend kommt ihr hier nicht mehr
raus.«
»Nur die Ruhe«, antwortete Abu Dun mit einem hässlichen Grinsen. »Du stirbst schon noch früh genug. Wenn auch wahrscheinlich
nicht so früh, wie du dir vielleicht noch wünschen wirst.«
»Wer seid ihr?«, fragte Ali Jhin, den die Drohung des Nubiers nicht
sonderlich zu beeindrucken schien. Er umklammerte zwar weiter fest
sein Handgelenk, richtete sich nun aber gerade auf dem Stuhl auf und
wäre womöglich sogar aufgestanden, hätte Abu Dun nicht eine warnende Bewegung gemacht. »Was wollt ihr von mir? Und wie kommt
ihr überhaupt hier herein?« Er sah kurz zu Andrej hin, dann wieder
zu Abu Dun, und seine Augen wurden groß. »Dich habe ich doch
schon einmal… natürlich! Du bist einer der Sklaven!«
»Wie du siehst, mittlerweile nicht mehr«, erwiderte Abu Dun. »Und
du solltest jetzt besser schweigen oder allenfalls meine Fragen beantworten.«
»Dein Tod wird schrecklich sein«, sagte Ali Jhin. »Ganz egal, ob
ihr mich umbringt oder nicht, ihr kommt niemals lebend hier heraus,
und meine Männer…«
»Deine Männer«, unterbrach ihn Abu Dun, »haben uns nicht daran
gehindert, hier hereinzukommen. Wie kommst du auf die Idee, sie
könnten uns daran hindern, auch wieder hinauszugehen?«
Ali Jhin setzte zu einer Antwort an, aber Andrej hörte nicht mehr
hin. Stattdessen drehte er sich wieder zu Meruhe um. Die Nubierin
hatte sich inzwischen endgültig von ihren Fesseln befreit und ging
neben dem Bett in die Hocke, um ihr Kleid aufzuheben. Offensichtlich hatten es ihr die Männer, die sie auf dem Bett festgebunden hatten, vom Leib gerissen, denn es bestand nur noch aus Fetzen, die sie
enttäuscht hochhob und dann fallen ließ. Andrej sah sich suchend
um. Über der Lehne eines Stuhls, der gleich neben der Tür stand,
entdeckte er einen schwarzen Mantel; dieselbe Art von Kleidungsstück, wie sie auch die Räuber getragen hatten, denen sie gestern
Mittag begegnet waren. Andrej fragte sich, ob Ali Jhin vielleicht
selbst diese Männer angeführt hatte. Niemand, der einmal gegen Abu
Dun gekämpft und dieses zweifelhafte Vergnügen überlebt hatte,
würde den Nubier danach nicht wieder erkennen; gleich, ob halb
nackt oder angezogen. Er ging hin, nahm den Mantel und reichte ihn
Meruhe.
Sie riss ihm das Kleidungsstück regelrecht aus der Hand, schlüpfte
hastig hinein und griff dann wieder nach Andrejs Schwert, das sie
auf dem Bett

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