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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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seinem Hals. »Chris«, sagte er mit flehender Stimme, »haben Sie schon mal einen erwachsenen Mann weinen sehen? Wie ein kleines Kind mit gebrochenem Herzen?«
    »Nein, ich glaube nicht. Ich habe auch kein Verlangen danach.« Sie griff wieder nach ihm. »Ty«, sagte sie.
    Er fing ihre Hände ab, hielt sie fest in den seinen vor sich hin. »Dann hör bitte damit auf«, sagte er. »Bitte, laß mich in Ruhe. Verfolge mich nicht, berühre mich nicht, bemuttere mich nicht, schmiere mir keine Salben mehr auf den Rücken und weine nicht, wenn ich böse auf dich sein sollte. Bitte, tu das alles nicht, ich flehe dich an!«
    Chris,beugte sich zu ihm. »Es macht mir doch nichts aus, daß du im Gefängnis gewesen bist. Du magst vielleicht denken, daß ich einer anderen Klasse angehöre als du; aber das stimmt nicht. Ty, ich denke, daß ich mich in dich verliebt...«
    Er legte ihr rasch die Hand auf den Mund. »Sag das nicht. Das darfst du niemals sagen. Ich könnte nicht ertragen, daß du so etwas zu mir sagst. Wir kennen uns erst seit ein paar Tagen, und in ein paar Tagen werden wir uns trennen und nie mehr Wiedersehen.«
    »Die Zahl der Tage spielt keine Rolle. Weißt du, wie viele Männer mich schon gefragt haben, ob ich sie heiraten möchte? Ich bekomme sogar Heiratsanträge mit der Post. Ich bin bei Dinner-Parties gewesen und hatte bis zum Nachtisch bereits zwei Anträge erhalten; aber ich bin niemals auch nur in Versuchung gewesen- weder durch die Anträge der Männer noch durch ihre Bemühungen, mich zu verführen. Aber du, Tynan, du bist der Mann, den ich haben will.«
    Auf Tys Gesicht löste eine Grimasse die andere ab, und nur eine Sekunde lang beugte er sich zu ihr, als wollte er sie küssen. Aber im nächsten Augenblick verließ er den schirmenden Überhang und rannte hinaus in den trommelnden Regen.
    »Verstehst du denn nicht, daß ICH NICHT KANN ? Ich kann dich nicht lieben. Und jetzt steh auf! Wir gehen ins Lager zurück, und unterstehe dich, mir noch einmal so nahe auf den Leib zu rücken!« Er packte sie beim Handgelenk und zog sie hinaus in den Regen. Und dann schob er sie weiter vor sich her die steile Böschung hinauf.
    Kaum hatten sie oben den Pfad erreicht, als er sie losließ und stumm in die Richtung deutete, wo sich das Lager befand.
    Chris wußte, daß ein Teil des Wassers auf ihrem Gesicht von der Flut ihrer Tränen stammte; aber sie wußte nicht, wieviel, bis sie wieder im Lager eintrafen. Dort waren drei Zelte aufgebaut, für jeden von ihnen eines. Unter einem Baum stand ein Zelt, dessen Öffnung sich auf der von den anderen zwei Zelteingängen abgewendeten Seite befand, und da wußte sie, daß dieses Zelt Tynan gehörte.
    Ty trat zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie in das Zelt schlüpfte, auf das er mit dem Kopf deutete.
    Chris brauchte eine Stunde, bis sie ihre nassen Kleider ausgezogen und gegen trockene ausgewechselt hatte, weil ihr die Tränen ununterbrochen über die Wangen liefen. Sie weinte die ganze Nacht hindurch. Das war der erste Mann in ihrem Leben, in den sie sich verliebt hatte, und nun mußte ihr so etwas passieren.
    Als der Morgen heraufdämmerte, war ihr Gesicht rot und geschwollen, ihre Nase anderthalb mal so groß wie sonst, und ihr Kopf ein einziger Schmerz. Als Tynan zu ihr kam, um ihr zu sagen, daß sie in den Zelten bleiben würden, bis der Regen aufgehört hatte, konnte sie ihn nicht ansehen, sondern nickte nur mit gesenktem Kopf.
    Mittags war Chris dann ganz erschöpft von dem vielen Weinen und Denken; aber sie war wenigstens zu einem Entschluß gekommen. Langsam begann sie, die trockenen Blätter im Zelt zusammenzusuchen und daraus ein kleines Lagerfeuer zu machen, auf dem sie die Suppe erhitzte, die vom Vortag übriggeblieben war.
    Dann nahm sie ihren Regenumhang von einem Stoß Kleider, der in einer Ecke des Zeltes lag. Es gab keine Möbel in dem kleinen Zelt, nur eine Bettrolle, ein paar Kleider und ein kleines Feuer unter der hochgeklappten Zeltplane am Eingang.
    Mit steifem Rücken trat Chris ins Freie hinaus. Der Regen rauschte immer noch kräftig vom Himmel herunter, und als er den heißen Kessel berührte, verzischte er in kleinen Dampfwölkchen.
    Tynan hatte sich ein Regendach gebaut: eine Zeltplane, die von zwei Stöcken gestützt wurde und an den Seiten und vorne offen war. Solange der Wind nicht den Regen unter die Zeltplane wehte, saß man hier im Trockenen. Ty lag auf dem Boden hingestreckt, den Kopf auf seinen Sattel gebettet und
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