Die Verfuehrerin
ihm.
Sie hatte sehr wenige Männer in ihrem Leben geküßt und wußte nicht genau, wie man das machte. Ashers Arm ging um sie herum, hielt sie auf eine angenehme Weise fest, und sein Kuß war warm und trocken und beruhigend; absolut nicht mit dem raschen, Freude erregenden Kuß von Tynan zu vergleichen. Kein Feuer rieselte da durch ihren Körper. Nichts veranlaßte sie dazu, sich fester an ihn zu legen und nach mehr zu verlangen.
»Was, zum Teufel, machen Sie denn da, Prescott?« hörte sie Tynans empörte Stimme, so daß er Chris rasch losließ. »Ich komme hier aus dem Lager, weil ich fürchtete, Sie hätten sich verirrt, und derweil stehen Sie hier und bedrängen Miss Mathison!«
»Ich habe sie nicht bedrängt. Ich habe sie vielmehr um Erlaubnis...« Asher hielt mit wütendem Gesicht inne. »Was geht Sie das überhaupt an?«
»Es geht mich deshalb etwas an, weil ich versprochen habe, Miss Mathison ihrem Vater zurückzubringen.«
»Und ich habe den Eindruck, daß Sie Ihr Geschäft nicht darauf beschränken«, gab Asher zurück.
»Gehen Sie ins Lager zurück«, befahl Tynan, an Chris gewandt. »Sofort!«
Sie beeilte sich, ihm zu gehorchen. Später kam dann Asher, still in sich hineinlächelnd, allein ins Lager zurück. »Manchmal vergessen Angestellte, wo sie hingehören, und müssen in ihre Schranken gewiesen werden«, sagte er und blinzelte dabei Chris zu.
Tynan kam an diesem Abend nicht mehr ins Lager, und am nächsten Morgen war er schweigsam und bemühte sich, immer auf Distanz zu bleiben.
Ein Teil von ihr hätte am liebsten losgeschrien vor Enttäuschung über die Geheimnistuerei, die sie umgab. Warum hatte ihr Vater sie durch den Regenwald reiten lassen? Er hatte doch nicht wissen können, daß Hugh Lanier sie verfolgen würde. Warum hatte ihr Vater einen Mann angeheuert, der kaum wußte, wie man im Freien Feuer machte? Was für eine Hilfe sollte so ein Mann ihr wohl im Regenwald sein? Warum schob Tynan sie zuerst Asher zu und benahm sich im nächsten Moment wie ein eifersüchtiger Liebhaber?
An dem Tag, der auf den mit Ashers Kuß folgte, erlaubte Ty ihnen bereits am späten Nachmittag, das Nachtlager aufzuschlagen. Während Chris Ty beim Auspacken half, versuchte sie, mit ihm Konversation zu machen; aber er gab auf ihre Fragen nur einsilbige Antworten.
»Was ist eigentlich mit Ihnen los?« zischelte sie ihn an. »Sie haben seit gestern abend kein Wort mehr mit mir gesprochen. Sind Sie mir vielleicht wegen Asher böse?«
»Was Sie tun oder lassen, ist allein Ihre Sache«, antwortete er, während er ein Pferd absattelte. »Ich bin als Pfadfinder für Sie engagiert worden - für nichts sonst.«
»Wirklich nicht?« Dabei sind Sie es doch, der mich ständig dazu ermuntert, mit ihm allein zu sein: >Warum gehen Sie denn nicht mit Prescott Feuerholz sammeln, Miss Mathison ?< und >Wie wäre es, wenn Sie mit Mr. Prescott zum Angeln gingen, Miss Mathison ?< Jede freie Minute soll ich mit ihm verbringen. Und als ich ihn dann küßte - ja, was haben Sie sich denn sonst davon versprochen?«
»Ich habe mir gar nichts versprochen! Hören Sie - warum gehen Sie nicht dort hinüber und setzen sich hin? Warum verfolgen Sie mich ständig? Können Sie einen Mann nicht einmal in Frieden lassen?«
Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie sich zum Feuer umdrehte. Er rief ihren Namen; aber sie drehte sich nicht mehr zu ihm um.
Einmal hatte sie das Gefühl, als versuche Ty, ihren Blick einzufangen; doch sie sah nicht zu ihm hoch, und nach einer Weile hörte sie ihn aus dem Lager gehen.
»Ich gehe ein Stück spazieren und mache meine Eintragungen ins Tagebuch«, sagte Chris zu Asher und holte Feder, Tinte und ein großes Notizbuch aus ihrer Satteltasche. »Ich werde in ungefähr einer Stunde wieder zurück sein.« Und dann ging sie auf dem Pfad in der anderen Richtung davon.
Chris ging viel weiter, als sie das eigentlich beabsichtigt hatte. Tynans scharfe, zornige Worte hatten sie tief verletzt, und sie wollte darüber nachdenken, was sie ihm denn angetan hatte und wie sie sich in der Zukunft verhalten wollte.
Es war seltsam, wie sehr dieser Mann sie anzog. Sie hatte sich noch nie eines Mannes wegen so närrisch betragen wie jetzt.
Nach einer Weile begann das Licht zu verblassen, und sie setzte sich dicht neben dem Pfad auf einen Baumstamm, um in ihr Tagebuch zu schreiben. Wenn sie alle Fakten dieser sonderbaren Reise zusammentrug, kam sie vielleicht hinter den Sinn des Ganzen. Sie schrieb eine Menge über den
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