Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
wiederholte Alexander. »Ein Priester?«
Jetzt würde sein Vater ihm niemals erlauben, wieder in die Stadt zu ziehen. Vor achtzehn Monaten, als seine ersten Gedichte veröffentlicht worden waren, da war er zu einem kurzen Besuch dort gewesen, und seitdem sehnte er sich danach, zurückzukehren. Aber die Hauptstadt würde wohl immer gebrandmarkt bleiben durch die Verfolgungen, wie sein Vater sie einst erlebt hatte. Alexanders Eltern waren vertrieben worden, nachdem das Zehn-Meilen-Gesetz erlassen worden war, das den Papisten verbot, innerhalb der Bannmeile einer Tagesreise von der Stadt entfernt zu leben. Jahre waren seitdem vergangen, und allmählich kehrten Katholiken in die Stadt zurück, aber Alexanders Vater war unerschütterlich. Sein Sohn sollte nicht in der Stadt leben. Alexander wusste, dass sich die Stadt verändert hatte – drei herrliche Wochen lang hatte er es mit eigenen Augen gesehen. Aber angenommen, er widersetzte sich den strikten Wünschen seiner Eltern und geriete dann womöglich doch in Gefahr?
Er griff nach der Zeitung und begann den Bericht zu lesen.
»Dieser Mann war kein Priester, Sir!«, rief er. »Genau genommen war er vielleicht nicht einmal Katholik. Hier steht, er sei in ein geistliches Gewand gekleidet gewesen, um am Maskenball des französischen Botschafters teilzunehmen. In seiner Tasche wurde eine Eintrittskarte zu dem Ball gefunden. Sie sehen also«, – er blickte mit einem Lächeln auf – »den Mördern ist ein Fehler unterlaufen.«
Alexanders Vater lachte verächtlich. »Wenn die Mörder gedacht haben, der Bursche sei ein Priester, dann spielt es doch kaum eine Rolle, wenn er keiner war«, versetzte er knapp. »Die Stadt ist ein gefährliches Pflaster. Es hat mir weh getan zu sehen, dass du letztes Jahr so begierig warst hinzufahren.«
In Alexander regte sich Protest. »Ich war doch bloß drei Wochen dort, Sir«, brach es aus ihm heraus, »und ich habe in Westminster bei meinem Freund Charles Jervas gewohnt!« Sein Vater wusste sehr wohl, dass Jervas Protestant war und dass Alexanders Kontakte mit Katholiken auf die wenigen wohlhabenden Familien beschränkt war, welche Häuser in Westminster und St. James besaßen. Es hatte also keine geheimen Messen in Dachstuben von Bierkneipen gegeben, ja, es hatte nicht einmal Gespräche über Religion gegeben. »Queen Anne ist eine Stuart! Sie haben doch selbst gesagt, wir haben nichts zu fürchten, solange sie auf dem Thron sitzt.«
Das Gesicht des Vaters blieb ernst. »Ich war nicht gerade freudig gestimmt, während du dort warst, Alexander«, sagte er, »und ich wäre sehr enttäuscht, wenn ich hörte, dass du den Gedanken hegst, dorthin zurückzukehren.«
Seine Eltern erhoben sich zum Gebet, und Alexander musste wohl oder übel dasselbe tun. Sein Vater löschte das Licht im Zimmer, eine alte Gewohnheit, um sicherzugehen, dass sie nicht gesehen werden konnten. Als Alexander seines Vaters gebeugten Kopf und die verhaltenen Lippenbewegungen sah, hatte er Gewissensbisse. Waren seine Eltern nicht aus ihrem alten Heim vertrieben worden wie Vagabunden, gezwungen, die Stadt zu verlassen, in der sie hoch geachtet gelebt hatten? Und jetzt verlangte er, Alexander, trotz seines Zorns auf alles, was sie erlitten hatten, an den Ort all dieser Schande zurückzukehren? Beschämt senkte er den Kopf und mühte sich, das Mitleid zu empfinden, das, wie er wusste, angemessen wäre.
Nachdem die Andacht vorüber war, fragte er seinen Vater, ob er die Kerzen hier unten brennen lassen könne, sodass er noch am Feuer sitzen bleiben und lernen könne.
»Späte Stunden machen dich krank«, versetzte der Vater und wartete, bis Alexander seine Bücher zusammengesammelt hatte und ihm die Treppe hinauffolgte zu seinem Schlafzimmer.
Alexander sagte gute Nacht und schloss die Tür seines Zimmers. Dann schob er einen Bettvorleger unten vor die Türritze, um das Licht seiner Kerze zu tarnen. Sein Vater hatte recht, es war eiskalt, aber er musste bis zum Ende der Nacht noch zehn Zeilen fertigbekommen. Er zog sich eine Decke um die Schultern, breitete eine zweite über die Knie und begann zu arbeiten. Eine Stunde lang schrieb er, ignorierte die Kopfschmerzen und den rauen Hals, die allmählich anfingen, lästig zu werden. Es fiel ihm nicht schwer. Nach so vielen Jahren waren die Symptome wie alte, vertraute Widersacher, die ihn nur zu größerer Anstrengung anspornten und ihn daran erinnerten, dass seine Zeit kurz bemessen war.
Er war vierzehn gewesen, als er
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