Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Briefe in alle Himmelsrichtungen sandten in der Hoffnung, dass ihnen diese Strategie eines Tages zum Erfolg und einer guten Partie verhülfe. Gewöhnlich genoss Arabella sie als schmeichelhafte Ablenkung von dem zwingenden Vorsatz, selbst einen Bewerber dingfest zu machen, aber diese Woche kamen ihr die Episteln beinahe boshaft vor – Frotzeleien über ihr Singledasein.
Zum hundertsten Mal rief sie sich ihr Gespräch mit Lord Petre in Erinnerung. Es war wundervoll gewesen, aber so hoffnungslos kurz, nichts, woran sie sich halten konnte. Sie sehnte sich so sehr danach, ein privates Treffen mit ihm zu arrangieren, aber sie wusste auch, wie machtlos sie dabei war. Sie würde sich bloß entsetzlich blamieren. Diese Gedanken wälzte sie im Kopf, als die Zimmertür aufging und Betty mit einem Brief erschien.
Augenblicklich erkannte sie das Wappen auf dem Siegel, und ihr Herz tat einen Sprung. Betty blickte sie neugierig an, erwartete wohl, dass sie ihn auf der Stelle öffnete. Aber Arabella war fest entschlossen, niemanden wissen zu lassen, was sie empfand. Stolz richtete sie sich auf, wandte sich ab und wies Betty an, den Brief auf dem Ankleidetisch liegen zu lassen und ihr bei den letzten Finessen ihrer Frisur zu helfen. Als Betty damit fertig war, bat Arabella sie, mit Shock einen Gang durchs Haus zu machen, und trug ihr auf, besonders gut aufzupassen, wie er mit den Stufen zurechtkam. Erst als Betty das Schlafzimmer verlassen hatte, nahm Arabella den Brief an sich und öffnete ihn mit mehr freudigem Eifer, als sie bei irgendeiner Tätigkeit während der letzten beiden Tage gezeigt hatte.
»Meine liebe Miss Fermor«, begann Lord Petre. Er erinnerte an ihr zufälliges Kennenlernen in der Börse und bewunderte Arabellas außergewöhnliche Schönheit. Er bedauerte, dass sie seit dem Abend der Maskerade weder dort noch an einem anderen öffentlichen Ort durch ihre Anwesenheit geglänzt habe, und er hoffe doch, sie werde der Aufführung von Mr. Händels neuer Oper am nächsten Abend im Queen’s Theatre am Haymarket beiwohnen. Dem fügte er ohne weitere Schnörkel zwei Zeilen von Rochester hinzu.
Mit dem Eintreffen von Lord Petres Brief veränderte sich für Arabella schlagartig die Landschaft ihres gesellschaftlichen Lebens und ihrer Gefühlswelt. Sie war von Martha und Teresa zu Mr. Händels Rinaldo eingeladen worden, die mit ihrer langweiligen Tante und ihrem unerträglichen Freund Henry Moore hingingen – und bis zu diesem Moment hatte sie nicht die Absicht gehabt mitzugehen. Jetzt aber warf sie die Trübsal der letzten Tage ab und wurde geradezu überschwemmt von Aufregung und Vorfreude. Und doch war sie zum ersten Mal in ihrem Leben unsicher, was da von ihr erwartet wurde, wie sie sich verhalten sollte. Sie war dabei, sich auf etwas vollkommen Neues einzulassen, und das versetzte sie in himmlische Unruhe.
Arabella hielt es drinnen nicht mehr aus, aber da war kaum etwas zu machen... Sie konnte ja vielleicht etwas Neues kaufen und es anziehen, wenn sie ihn morgen traf; aber sie fürchtete, das machte womöglich gar keinen Eindruck auf ihn. Wie sie sich auch vorbereitete auf die Begegnung morgen Abend, sie konnte immer noch überrascht werden. Sie fand keine Ruhe mehr, und wenig später klingelte sie nach Betty. Als das Mädchen eintrat, erklärte sie: »Ich habe überhaupt keine Seidenstrümpfe mehr! Wir müssen gehen und welche besorgen, sobald der Regen aufhört.«
Nun wusste Betty zufällig, dass Miss Fermor sehr wohl versorgt war mit Strümpfen, hatte sie doch ihr bestes Paar erst Anfang der Woche für Besuche im Gasthaus und im Theater angezogen. Aber sie hütete sich, ihre Herrin in Sachen Kleidung zu korrigieren.
Arabella trug ein blassblaues Gewand. Sie hatte damit gerechnet, den ganzen Tag im Haus zu verbringen und Besuch von alten Freunden ihrer Mutter zu empfangen, und dieses Kleid war völlig ungeeignet, um es bei nassem Wetter draußen zu tragen. Aber obgleich noch immer Regen drohte, beschloss sie, sich nicht umzuziehen, denn jetzt schien es ihr wichtiger als sonst, tadellos auszusehen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigte. Sie bat Betty, ihr das neue Wollflauschcape und ihren Muff zu bringen. Sie wusste, es war eine törichte Entscheidung für feuchtes Wetter, denn der Regen konnte den Flausch des Gewebes ruinieren, aber es war nun mal neu, sie sah gut aus darin, und sie konnte einfach der Versuchung nicht widerstehen, die es für ihre frisch erwachten Lebensgeister darstellte.
Arabella
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