Die Verführung der Mrs. Jones
zitterte. Wie ein Bächlein lief es aus ihr heraus, pulsierend, warm. Sie schluckte, ihre Kehle war trocken.
Nur einen Moment ausruhen, dachte Sandra und ließ sich zurücksinken. Sie registrierte noch, dass Reto sie zudeckte. Dann war sie eingeschlafen.
5
Als Sandra aufwachte, war es noch nicht ganz hell. Sie horchte, griff neben sich. Sie lag allein im Bett. Etwas irritiert stand sie auf und ging ins Bad. Richtig, sie war in Retos Suite, doch Reto war nirgendwo zu finden. Ihre Uhr, die sie im Rausch der Lust achtlos unter das Bett geworfen hatte, zeigte kurz nach halb fünf. Sie konnte kaum mehr als eine Stunde geschlafen haben. Sie zog sich an und schaute auf das Display des Zimmertelefons. 41. Ihre Suite hatte die Nummer 47, lag also auf demselben Stockwerk. Sandra nahm sich einen Bademantel aus dem weißlackierten Schrank und sammelte ihre Kleidung ein. Langsam erinnerte sie sich an die Details der stürmischen Begegnung. Sie lächelte. Nie hätte sie sich vorstellen können, es mit zwei Männern gleichzeitig zu treiben. Es war unglaublich geil gewesen … und sie hatte nicht darum gebettelt, dass sie aufhörten.
Ihre Hand berührte die Brustwarzen. Sie waren wund. Sandra schmiegte sich in den weichen Frottee und sah sich um. Hier lag nichts Persönliches von Reto. Kein Schlüssel, keine Sonnenbrille, nichts. Sandra musste ihrer Neugier nachgeben und öffnete den Kleiderschrank. Anzüge, Hemden, eine Reisetasche. Aha. Ausgecheckt hatte er also nicht. Wo war er nur geblieben? Ein Brummen lenkte sie ab, sie schloss die Schranktür.
Katharina schrieb:
Hat sich abgekühlt mit T. Komplizierter Typ. Leider noch fast 2 Woche … KussKuss
Abgekühlt, aha. Sandra wunderte sich, wie wenig sie das interessierte. Sie wandte sich noch einmal um, vergewisserte sich, nichts vergessen zu haben, dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Sie würde den Wecker auf acht Uhr stellen.
„Guten Morgen, Signora.“
Sandra kam, in ein großes Handtuch gehüllt, aus dem Bad und blickte den Pagen verwundert an, der gerade dabei war, einen Frühstückstisch zu decken. Es war der junge Mann mit den strahlenden Augen, der sie beim Check-in in ihre Suite geführt hatte. Er verbeugte sich knapp und gab ihr ein Kärtchen. Darauf stand handschriftlich: Guten Morgen, Mrs. Jones. Bin gegen 10:00 h zum Frühstück bei Ihnen. Sollten Sie andere Verpflichtungen haben, lassen Sie es mich bitte wissen. Bin auf Zimmer 41 zu erreichen. R.
Sandra nahm sich ein paar Weintrauben vom Teller und überlegte. Was stand heute auf dem Programm? In den Reiseunterlagen hieß es lapidar: Gang durch die Altstadt, Besuch historischer Gebäude, Museum. Hm. Sie dachte nach. Mit ihrem Thema Genussreise hatte das ja nicht so viel zu tun. Eigentlich konnte sie schwänzen und nach dem Frühstück mit Reto ein paar der Gastrotipps abklappern, die sie sich daheim herausgesucht hatte. Das wäre wohl sinnvoller. Angenehmer sowieso. Sie wählte die Handynummer der Reiseleiterin und meldete sich ab. Dann schickte sie den Pagen fort und nahm ihren Nagellack aus dem Kosmetiktäschchen. Sie hatte so eine Idee, wie das Frühstück verlaufen könnte.
„Sandra.“
Gut gelaunt stand Reto in der Tür. Seiner Kleidung nach zu urteilen – Chinos, Hemd und Segelschuhe –, hatte er später nichts Geschäftliches vor, obwohl er im Kasino nur von zwei freien Tagen gesprochen hatte. Sandra ließ ihn eintreten, wartete am gedeckten Tisch auf ihn. Sie deutete auf das Frühstück.
„Eine sehr schöne Idee, vielen Dank.“
Reto schenkte ihnen Kaffee ein, dann rückte er ihr den Sessel zurecht. Ihre Blicke trafen sich, ihm war anzumerken, wie sehr sie ihm gefiel. Sandra registrierte das mit Genugtuung. Genau das hatte sie ja auch beabsichtigt. Sie trug ihren kurzen hellgrünen Kimono, der ihre Haut noch heller erscheinen ließ – und sonst nichts. Fuß- und Fingernägel hatte sie glutrot lackiert, die halbtrockenen Haare hinter die Ohren gesteckt, von wo aus sie sich kringelnd immer wieder befreiten und ihr ins Gesicht fielen. Ansonsten war sie vollkommen ungeschminkt. Und sie wusste, das stand ihr.
Reto entfaltete seine Serviette und nahm sich von dem Brot, Sandra naschte Obst und zerpflückte ein Croissant.
„Haben Sie Lust, mit mir den Tag zu verbringen?“, fragte er unvermittelt.
„Was haben Sie denn Schönes vor?“ Sandra nahm einen Schluck Kaffee.
„Como. Ab heute Abend muss ich wieder arbeiten, da wollte ich die letzten Stunden noch ein
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