Die Verführung der Mrs. Jones
Dame?“
Irritiert schaute sie zu einem Mann zwei Plätze weiter. Der Sommelier zuckte mit den Schultern und lächelte sie entwaffnend an. Sandra lächelte zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er recht gut aussah. Er hatte lange Haare, die mit einem Gummi nachlässig im Nacken zusammengehalten wurden. Sie mochte langes Haar bei Männern.
„Ich hatte den ganzen Abend keine Gelegenheit dazu, mit der schönsten Frau am Tisch zu plaudern. Machen Sie mir bitte die Freude.“
Sandra musste lächeln. Das war natürlich gelogen. Sie hatten bereits das eine oder andere Wort gewechselt, aber sie war reserviert geblieben. Nun nahm sie dankend an. Das würde sie ablenken.
Max, wie er sich der Tischrunde vorgestellt hatte, war seinem damaligen Freund nach Lugano gefolgt.
„Die Liebe ging vorüber, aber ich bin hier hängengeblieben“, erzählte er und zuckte wieder mit den Schultern. Sein Lächeln war etwas schief, aber ganz bezaubernd.
„Sie sehen mich an, als wüssten Sie, wovon ich spreche.“ Er berührte leicht ihre Hand, zog sie aber sofort wieder zurück. Sandra nickte. So war es bei ihr und Fabian gewesen. Seinetwegen war sie nach New York gegangen. Als er sie für eine Frau aus Illinois verließ und nach Chicago zog, blieb sie am Hudson. Zumindest für eine Weile. Ihr Blick wanderte über Max’ Gesicht. Er sah mehr aus wie ein Fitnesstrainer als ein Weinexperte. So kann man sich täuschen, dachte sie und musste lächeln. Max gefiel ihr. Vielleicht gerade deshalb, weil er sich nicht für Frauen interessierte.
„Da sind Sie ja. Ich habe Sie überall gesucht.“
Mit gespielt vorwurfsvoller Miene gesellte sich Reto zu ihnen. Er und Max schienen sich zu kennen; sie nickten sich kurz zu. Reto griff nach Sandras Hand und zog sie vom Barhocker.
„Tut mir leid, mein Lieber, aber ich muss diese Kostbarkeit vor dir in Sicherheit bringen. Du verstehst doch.“
Sandra knurrte leise; es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass Reto so über sie bestimmte, dennoch folgte sie ihm, Max noch einmal zuwinkend. Mit wenigen Schritten waren sie am Lift.
„Was erlauben Sie sich?“, zischte Sandra. „Erst sind Sie wie vom Erdboden verschluckt, und dann reißen Sie mich aus einer netten Unterhaltung heraus. Ich dachte, Sie sind ein Gentleman.“
Reto schob sie ungerührt in den Fahrstuhl und drückte auf einen der Knöpfe.
„Dachten Sie das? Vielleicht haben Sie auch gedacht, Max ist schwul. Das hat er Ihnen doch erzählt, oder? Seine Masche, Sandra. Ich habe Sie nur davor bewahrt, in seinem Bett aufzuwachen statt in meinem. Nun gucken Sie doch nicht so. Ich dachte, wir haben noch eine ganze Menge vor heute Nacht.“
Sandra wollte etwas erwidern, aber er küsste sie zart auf den Mund. Die Tür des Lifts öffnete sich. Reto griff nach ihrer Hand.
„Und nun Ruhe und ab ins Körbchen.“
„Ich freue mich sehr, dass wir erneut zusammengefunden haben.“ Er hatte ihr ein Glas Rotwein gereicht und prostete Sandra zu. „Auf die Umlaufbahnen.“
„Auf die Planeten.“
Sandra nahm einen Schluck; der Wein war schwer und samtig, typisch barrique. Sie machte einen Schritt zum Fenster und sah hinaus. Diese Suite war genauso geschnitten wie ihre. Das einzige Unterscheidungsmerkmal war der Blickwinkel in den Garten.
„Geben Sie mir Ihr Glas.“
Sie reichte es Reto, ohne ihn anzuschauen. Sie spürte, dass er sie schon die ganze Zeit über beobachtete, und war – wie immer in einer solchen Situation – etwas unsicher. Er trat neben sie und löste die Haarspange, mit der sie ihre widerspenstige Mähne bezwungen hatte, vergrub sein Gesicht in den hellroten Locken, wanderte mit den Lippen an ihrem Hals entlang, dann hoch zu ihrem Mund. Zärtlich streichelte seine Zunge über ihre Lippen. Sandra wurde unruhig. Sie war schon wieder erregt und wollte mehr.
„Wissen Sie, was ich möchte?“, flüsterte er an ihrem Ohr. Sandra schüttelte den Kopf. Was hast du vor? , dachte sie und spürte wieder dieses Kitzeln in den Brustwarzen.
„Ich möchte Ihnen zeigen, wie viel Lust in Ihnen steckt. Gestern waren Sie meine Lehrerin. Lassen Sie mich heute Nacht Ihr Lehrer sein.“
Er küsste ihre Fingerspitzen. „Vertrauen Sie mir, Sandra.“
Sandra wollte etwas erwidern, aber er verschloss ihre Lippen mit einem sanften Kuss. „Sie vertrauen mir doch, oder?“
Sandra nickte. Sie wollte mehr, sie wollte ihn ganz und gar, und wenn das der Weg war – so wollte sie ihn gehen.
„Kommen Sie.“ Er nahm sie wieder einmal bei der Hand
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