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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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aufzuentern. Er stützte die Beine in den Schacht und strengte sich an aufwärtszuhangeln, aber schon nach drei der fünf Schritte tanzten ihm rote Ringe vor den Augen, und er musste sich wieder hinabgleiten lassen. Er hustete, würgte dabei und bekam beinahe keine Luft mehr. »Diese Öldämpfe, die hier überall herumwabern, machen mir wirklich zu schaffen. Ohne Hilfe komme ich da nicht hoch.«
    Onouk war von ihnen allen die beste Klettererin. Mit wenigen Armzügen und unterstützenden Fußgriffen war sie oben. Ihr folgte die zweitbeste Klettererin: Tjarka. Gemeinsam mit Jacomer konnten die beiden Frauen Tegden hinaufziehen. Dann war es kein Problem mehr. Alle nacheinander wurden nach oben gehievt und drängten sich in der allerersten Kammer. Das Licht der Außenwelt hätte die Färbung eines Abends.
    Noch einmal erzählte Jacomer, was geschehen war. Enenfe hatte seine Forderung nach Rodraeg gestellt, war dann aus dem Sichtbereich verschwunden und hatte auch nicht mehr auf Jacomers Rufe reagiert.
    Â»Hast du Kampflärm gehört?«, fragte Timbare. »Bevor oder nachdem Enenfe nach Rodraeg gefragt hat?«
    Â»Nichts.« Jacomer schüttelte so schnell den Kopf, dass Rodraeg alleine schon vom Hinschauen schwindelig wurde. »Da draußen schreien nicht einmal Vögel oder Affen, wegen der Trockenheit. Es ist totenstill.«
    Â»Verflucht, wo sind Ukas und der Erleuchtete?«, regte Ijugis sich auf. »Sind sie von dem kleinen Enenfe umgebracht worden?«
    Â»Niemand kann den Erleuchteten so einfach umbringen, mein Wort drauf«, bemerkte Tegden düster.
    Â»Soll ich Enenfe rufen?«, fragte Rodraeg.
    Â»Nein«, antwortete Timbare nach kurzem Nachdenken. »Wir berauben uns dadurch eines taktischen Vorteils. Was immer dort draußen vor sich geht – man scheint uns daran hindern zu wollen hochzuklettern. Also würden wir doch unsere Verhandlungsposition ganz erheblich verbessern, wenn wir bereits oben wären. Tjarka, den Haken bitte.« Tjarka händigte ihm die Hakenstange des Schatzfinders aus, und Timbare knüpfte etwa fünfzehn Schritt Seil daran. Ijugis riet ihm, die Hakenstange auch noch zu umwickeln, damit sie bei Fehlversuchen nicht ganz so viel Lärm erzeuge. Timbare tat dies, und Tjarka half ihm dabei. Anschließend blickte Timbare in die Runde. »Wer von uns ist der geschickteste und einfühlsamste Werfer?«
    Â»Von meinen Leuten wohl Jacomer«, sagte Ijugis. »Aber auch Onouk und Tjarka traue ich das zu.«
    Â»Meldet sich einer freiwillig?«
    Â»Ich mache das«, sagte Onouk. Timbare gab ihr Hakenstange und Seil. Sie wog beides in Händen, bat dann darum, dass die anderen ihr Platz machten. Alle drängten sich so gut es eben ging gegen die Wände der Kammer. Onouk nahm das in Schlaufen liegende Seil in die Linke und ließ die Hakenstange mit der rechten Hand an kurzer Leine vertikal rotieren. Langsam hob sie die Rechte höher, das umwickelte Metall kreiste näher ans Licht. Irgendwann – für die anderen war gar nicht zu erkennen, ob die Stange in der Rotation gerade nach oben oder nach unten zeigte – ließ sie mit der Rechten los und gab die Schlaufen der Linken frei. Die Stange stieg dem Abendhimmel entgegen, verließ kurz den Schacht vollständig – und stürzte dann gerade wieder zurück, ohne klirrend gegen die Seitenwände zu schlagen. Geschickt fing Onouk die Stange mit rechts, bevor sie den Boden berühren konnte.
    Der zweite Versuch führte nicht hoch genug. Onouk versuchte, ein Gefühl für den exakt richtigen Schwung zu erhalten, denn sie wollte vermeiden, dass der Haken laut auf den Rand der Öffnung aufkam, ohne sich festzubeißen.
    Der dritte Versuch führte so dicht an die Schachtwand heran, dass Rodraeg schon ein Scheppern befürchtete. Aber es schepperte nichts.
    Beim vierten Versuch machte Onouk ernst. Die Stange flog außer Sichtweite und landete mit deutlich hörbarem Geräusch auf Stein. Vorsichtig zog Onouk an dem Seil, der Haken rutschte noch etwas, dann fasste er. Es galt jetzt keinen Lidschlag zu vergeuden. Onouk hatte die zehn Schritt Kletterhöhe bis zum Ausgang schon zur Hälfte zurückgelegt, als oben das Seil durchschnitten wurde. Lautlos stürzte sie in die Tiefe, aber Ijugis, Migal, Tegden und Bestar fingen sie zu viert mit ihren Armen auf und setzten sie sicher ab.
    Oben erschien Enenfes dunkler Kopf in der

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