Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
tatsächlich diese irrige Meinung hegte oder nur die Augen vor der Realität verschloss. Nach geraumer Zeit beschloss er, dass es die Ermittlungen nicht weiterbrachte, wenn er seine Zeit noch weiter mit dem Mann verschwendete.
»Wie können wir Ihre Frau erreichen, Herr Degel?«, stellte der Hauptkommissar seine abschließende Frage.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, sie ist seit dem Wochenende nicht mehr nach Hause gekommen.«
»Sie wird doch sicher ihr Handy mitgenommen haben.«
Widerwillig nannte Degel ihm die Nummer.
Während Wünnenberg Degel aus dem Präsidium begleitete, wählte Hackenholt die soeben erhaltene Handynummer. Wie er es befürchtet hatte, ging nach mehrmaligem Klingeln die Mailbox an. Er hinterließ eine Nachricht und seine Rufnummer. Fünf Minuten später klingelte sein Telefon, und Frau Degel meldete sich.
»Sie wollten mich dringend sprechen?«, fragte sie unsicher.
»Ja, Frau Degel. Es geht um den Tag, an dem meine Kollegen bei Ihnen waren. Sie erinnern sich?«
»Natürlich«, sagte sie leise. »Weil ich Ihrem Kollegen das mit dem Sex-Video gesagt habe, habe ich ja jetzt den ganzen Stress mit meinem Mann.«
»Während des Gesprächs ist ihr Schwager in die Wohnung gekommen. Können Sie sich noch erinnern, ob er etwas bei sich hatte?«
Die Frau dachte einen Moment nach. »Er hielt ein Briefkuvert in der Hand. Ich war erstaunt, dass die Post schon dagewesen sein sollte, weil sie meistens erst am Nachmittag gegen zwei kommt.«
»Wissen Sie noch, wie das Kuvert ausgesehen hat?«
»Ich glaube, es war cremefarben.«
Hackenholt nickte befriedigt. »Hat Herr Degel irgendwann im Lauf des Tages etwas über diesen Brief gesagt? Egal was?«
»Nein.«
»Hat er erwähnt, von wem er ihn bekommen hat, oder ob es eine Einladung war?«
»Nein, er hat das Thema überhaupt nicht mehr erwähnt. « Sie stutzte einen Augenblick und schloss die Frage an, ob Jürgen etwas ausgefressen hätte.
Hackenholt mochte sie nicht am Telefon über den Tod ihres Schwagers unterrichten, konnte ihr aber auch schlecht sagen, dass mit Degel alles in Ordnung war. Deshalb bat er sie, mit ihrem Mann in Kontakt zu treten und fügte an, dass er im Moment sicher Beistand nötig habe.
Im Anschluss an die Abendbesprechung, in der sie nur vergleichen konnten, was sie alles nicht weitergebracht hatte, griff Hackenholt zum Telefonhörer und rief Sophie an, um sie zu fragen, ob er sie einladen dürfe, mit ihm essen zu gehen.
»Möchtest du wirklich in ein Restaurant gehen?«, fragte Sophie, als er eine knappe Viertelstunde später vor ihrer Tür stand. »Wollen wir es uns nicht lieber hier gemütlich machen, und ich koche uns etwas Leckeres?«
»Das tun wir ein anderes Mal. An einem Wochenende, wenn ich am nächsten Tag nicht früh aufstehen und arbeiten gehen muss, okay?«
»Ist das der wahre Grund oder hat es vielleicht damit zu tun, dass du nicht hier im Haus sein magst?«, fragte sie leise.
Er wich ihrem fragenden Blick aus, gab es dann aber zu. »Ja, solange die Ermittlungen noch laufen, habe ich einfach ein ungutes Gefühl, zu viel privat hier zu sein. Wenn die Sache abgeschlossen ist, ist es etwas anderes.«
»Aber das ist doch Quatsch, das hat doch nichts miteinander zu tun!«
»Es tut mir leid«, sagte Hackenholt sanft. »Wenn du möchtest, können wir zu mir gehen.« Er nahm sie in den Arm und küsste sie auf die Augenbraue.
Es entstand eine Pause, die schließlich von Sophie gebrochen wurde. »Ich wollte dir noch etwas zeigen.« Sie löste sich von ihm und ging ins Wohnzimmer . Hackenholt folgte ihr. »Ich habe mitbekommen, dass ihr Carina heute in die Mangel genommen habt. Ich weiß, ich muss mich aus deinen Ermittlungen heraushalten, aber ich wollte dir trotzdem etwas zeigen.« Sie hielt ihm ihr Telefon hin. »Auf dem Display wird angezeigt, wer angerufen hat, wenn ich den Anruf nicht annehme. Schau, hier stehen Uhrzeit und Datum und da die Telefonnummer beziehungsweise der Name, wenn ich die Nummer eingespeichert habe.«
Hackenholt nickte, er wusste nicht so genau, worauf Sophie hinauswollte.
»Wie du siehst, hat Carina am Samstagabend drei Mal angerufen, während ich bei dir war: Um einundzwanzig Uhr sieben, um einundzwanzig Uhr achtundfünfzig und schließlich um zweiundzwanzig Uhr dreiunddreißig.«
»Jeder könnte mit ihrem Telefon deine Nummer gewählt haben. Außerdem wäre ihr immer noch genug Zeit geblieben, zur Burg zu gehen. Von hier aus sind das höchstens fünf Minuten«, versuchte
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