Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
stundenlang in der Küche. Und wenn er ihr auch nur für wenige Minuten den Rücken kehrte, war an seinen vermeintlichen Köstlichkeiten garantiert schon ein nicht mehr zu behebender Schaden entstanden. Aber Frauen hatten das vielleicht besser im Griff.
Auch heute Abend war das Essen wieder ein Gedicht. Zunächst tischte Frau Möllenhäußer kleine gegrillte Auberginen- und Zucchinischeiben auf, gefolgt von einer Kürbissuppe mit Sahnehäubchen, sodann gab es Feldsalat mit Speckstückchen. Der Hauptgang bescherte ihnen Rehrücken mit Rosmarinkartöffelchen und Blaukraut. Zum Abschluss gab es kleine Pannacotta-Törtchen mit einer herben Himbeersauce. Hackenholt schwebte im siebten Himmel, während Wünnenberg mit den diversen Besteckteilen kämpfte. Nachdem der letzte Gang abgetragen war, lobte Hackenholt überschwänglich das famose Essen.
»Aber Herr Hackenholt, Sie wissen doch, dass ich das nicht selbst koche«, wies Frau Möllenhäußer das Lob entschieden zurück.
»Nicht?« Hackenholt sah sie verwirrt an.
»Aber nein«, erklärte sie lachend, »ich engagiere für unsere kleinen Treffen immer eine Köchin. Das macht die Abende für mich erst so richtig schön: Ich muss nichts machen, außer mir vorher zu überlegen, was ich gerne haben möchte.«
Die Frau des ebenfalls anwesenden Oberstaatsanwalts interessierte sich sofort dafür, da sie selbst zwar gerne einlud, die damit einhergehende Küchenarbeit jedoch verabscheute. Frau Möllenhäußer verriet daraufhin, dass die Küchenfee eine junge Frau war, die einen kulinarischen Service für Feierlichkeiten im kleinen Rahmen betrieb. Was zunächst im Rahmen eines festlichen Essens im Kreis der Familie begonnen hatte, wurde schon bald auf Einladungen für Freunde und Bekannte ausgeweitet.
Als Frau Möllenhäußer kurze Zeit später aufstand, um in die Küche zu gehen, bat Hackenholt, sich ihr anschließen zu dürfen. Beim Zuhören war ihm nämlich die Idee gekommen, dass sich hier vielleicht eine Möglichkeit bot, seinen bald anstehenden vierzigsten Geburtstag ohne den befürchteten Aufwand feiern zu können. Die Frau des Oberstaatsanwalts kam ebenfalls mit – auch sie wollte die Gelegenheit beim Schopf packen und sich die junge Frau gleich vorstellen lassen.
Das Erste, was dem Hauptkommissar in der Küche auffiel, war, dass sie absolut ordentlich und aufgeräumt wirkte. Ihm kamen schon Zweifel, ob die Köstlichkeiten tatsächlich hier gekocht worden waren, bis er in einer Ecke einen Stapel Töpfe und Pfannen entdeckte, der noch aufs Abspülen wartete. Daneben stand eine junge Frau, die Hackenholt auf Anfang bis Mitte dreißig schätzte. Sie trug eine lange Schürze, auf der allerlei Flecken davon Zeugnis ablegten, dass sie die der leckeren Speisen gezaubert hatte.
»Das ist Sophie. Sophie, das ist Frau Peters, und das ist Herr Hackenholt. Beide waren so begeistert von deinen Künsten, dass sie dich unbedingt kennenlernen wollen«, stellte Frau Möllenhäußer sie einander vor.
Sollte Sophie die unvermutete Invasion in ihr Reich überraschen, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen empfing sie die Eindringlinge mit einer freundlichen Begrüßung und einem offenen Lächeln. Hackenholt lobte das Essen nochmals ganz ausdrücklich. Die junge Frau schien sich darüber zu freuen – sie lachte ihn mit strahlenden Augen an und erzählte ein wenig von ihren bisherigen Kocheinsätzen.
»Morgen früh wird Sophie noch ein kleines Buffet bei uns zusammenstellen. Unsere Tochter hat ein paar Doktoranden zum Brunch eingeladen«, warf Frau Möllenhäußer ein.
»Sie könnten meine Rettung sein«, murmelte Hackenholt, während er Sophies Visitenkarte in die Innentasche seines Jacketts steckte. »Ich werde mich auf alle Fälle bei Ihnen melden.«
Es war schon fast Mitternacht, als sich die Gäste schließlich verabschiedeten.
»Kommst du noch auf einen Kaffee mit zu mir?«, fragte Wünnenberg, sobald sie in Hackenholts Auto saßen. »Petra ist nicht zu Hause, sie hat Nachtdienst in der Klinik.«
Da Wünnenberg den Abend über abwesend gewirkt hatte und Hackenholt den Eindruck nicht loswurde, dass seinen Kollegen etwas bedrückte, sagte er zu.
»Petra geht für ein Jahr mit Ärzte ohne Grenzen nach Südafrika«, ließ Wünnenberg schließlich die Katze aus dem Sack, nachdem sie es sich bei ihm gemütlich gemacht hatten. »Fünf Minuten bevor du mich heute Abend abgeholt hast, hat sie mir eröffnet, dass sie ab Anfang November vom Klinikbetrieb
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