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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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ihre Grenzen auf die Probe, und er spürte einen Schauder, der erregend war wie der Nervenkitzel in der Schlacht, wenn er sich zu guter Letzt als der Stärkere erwies.
    »Bruenor wird sich freuen.«
    Wulfgar hielt einen Augenblick inne und dachte über die eigentliche Bedeutung dieses Gedankens nach. Ihm fielen die ersten Tage in den Minen der Zwerge wieder ein, und er mußte lächeln. Was für ein dickköpfiger, zorniger Jugendlicher er gewesen war, den ein mürrischer Zwerg um sein Recht betrogen hatte, auf dem Feld der Ehre zu sterben, der noch dazu sein ungebetenes Mitleid als ein »gutes Geschäft« rechtfertigte.
    Das war jetzt sein fünfter und letzter Frühling, den er bei den Zwergen in den Tunneln zu verbringen hatte, die so niedrig waren, daß er sich ständig bücken mußte. Er sehnte sich nach der Freiheit der offenen Tundra, wo er die Arme zu der warmen Sonne und der so unfaßbaren Anziehungskraft des Mondes emporstrecken konnte. Oder wo er mit ausgestreckten Beinen flach auf dem Rücken liegen konnte, während ihn der unablässig wehende Wind mit seiner schneidenden Kälte kitzelte und die kristallklaren Sterne seinen Geist mit geheimnisvollen Visionen von unbekannten Horizonten erfüllten.
    Aber trotz aller Unbequemlichkeiten mußte Wulfgar zugeben, daß er die heiße Luft und den ständigen Lärm in den Zwergenhallen vermissen würde. Im ersten Jahr seiner Knechtschaft hatte er an dem grausamen Gesetz seines Volkes, das Gefangennahme als Schande betrachtete, festgehalten und das Lied an Tempus wie eine Litanei der Stärke aufgesagt, um sich vor dem Einfluß der schwächlichen, zivilisierten Südländer zu schützen.
    Doch Bruenor war so hart wie das Metall, das er bearbeitete. Zwar bekundete er offen seine Abneigung gegen jeden Kampf, aber er schwang seine Axt, die unzählige Kerben zierten, mit einer tödlichen Genauigkeit, die einen Oger niederstrecken würde. Und dennoch tat er diese Hiebe mit einem Achselzucken ab.
    In den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft war der Zwerg für Wulfgar ein Rätsel gewesen. Der junge Barbar war gezwungen, Bruenor ein gewissen Maß an Achtung entgegenzubringen, denn er hatte ihn auf dem Feld der Ehre übertroffen. Obwohl ihre Beziehung zueinander sich eindeutig auf Feindschaft begründete, hatte Wulfgar in den Augen des Zwerges eine echte und tiefe Zuneigung erkennen können, die ihn verwirrte. Er und sein Volk waren zum Morden und Plündern nach Zehn-Städte gekommen, und Bruenor verhielt sich eigentlich eher wie ein strenger Vater als wie ein gefühlloser Sklavenhalter. Dennoch erinnerte Bruenor Wulfgar stets an seine Stellung in den Minen, indem er mürrisch und beleidigend war und ihm niedrige und zuweilen erniedrigende Arbeiten übertrug.
    Im Laufe der langen Monate hatte sich Wulfgars Zorn schließlich gelegt. Er nahm seine Strafe mit Gleichmut hin und gehorchte Bruenors Befehlen gehorsam und ohne zu murren. Und allmählich verbesserten sich seine Bedingungen.
    Bruenor hatte ihn zuerst gelehrt, sich in der Schmiede zurechtzufinden, und später, das Metall zu feinen Waffen und Geräten zu verarbeiten. Eines Tages schließlich, Wulfgar würde ihn nie vergessen, hatte er eine eigene Schmiede und einen eigenen Amboß erhalten, so daß er für sich allein und unbewacht arbeiten konnte — wenn auch Bruenor häufig den Kopf in die Kammer steckte, um über einen ungenauen Schlag zu schimpfen oder einen guten Ratschlag zu geben.
    Doch mehr als dieser Grad an Freiheit hatte der eigene Arbeitsplatz Wulfgars Stolz wiederhergestellt. Seitdem er zum ersten Mal jenen Schmiedehammer gehoben hatte, den er jetzt sein eigen nennen konnte, war der überlegene Gleichmut eines Sklaven dem Eifer und der peinlich genauen Hingabe eines echten Handwerkers gewichen. Der Barbar ertappte sich dabei, daß er sich über den kleinsten Riß ärgerte und manchmal ein ganzes Teil überarbeitete, um eine kleine Unvollkommenheit zu beheben. Er war über diesen Wandel in seinem Denken selber erfreut und sah darin eine Eigenschaft, die ihm in Zukunft sehr nützlich sein konnte, wenn er auch nicht genau wußte wie.
    Bruenor nannte es »Charakter«.
    Die Arbeit machte sich auch sonst bezahlt. Durch die schwere Arbeit, Stein zu hauen und Metall zu hämmern, waren die Muskeln des Barbaren gut trainiert worden, und die schlaksige Figur seiner Jugend hatte sich in einen gehärteten Körper von unvergleichlicher Stärke verwandelt. Und er verfügte über große Ausdauer, denn durch das Tempo der

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