Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
Zauberer im Hauptturm, durch die bloße Erwähnung seines Namens zum Zittern bringen.
Aber er mußte geduldig bleiben. Einige Jahre hatte er damit verbracht, sich darin zu üben, erst über einen und dann gleichzeitig über einen zweiten Goblinstamm zu herrschen. Doch die Aufgabe, Dutzende von Stämmen trotz ihrer Feindschaft zueinander in gemeinsamer Knechtschaft zusammenzuführen, stellte eine weit größere Herausforderung dar. Er konnte immer nur einen Stamm zu sich rufen, und erst wenn er sichergestellt hatte, daß dieser sich ihm völlig unterworfen hatte, wagte er es, die nächste Gruppe kommen zu lassen.
Aber es gelang, und diesmal hatte er sogar zwei feindlich gesonnene Stämme gleichzeitig zu sich gerufen, und alles war hervorragend abgelaufen. Als Torga und Grock Cryshal-Tirith betraten, hatten beide eine Möglichkeit gesucht, den anderen zu töten, ohne den Zorn des Zauberers zu erregen. Doch als sie später nach einer kurzen Unterhaltung mit Kessell den Turm wieder verließen, plauderten sie wie alte Freunde über ihre ruhmreichen Schlachten in der Armee von Akar Kessell.
Kessell räkelte sich in seinen Kissen und überdachte sein Glück. Seine Armee nahm allmählich wirklich Gestalt an. Frostriesen dienten ihm als Befehlshaber, Oger als Wachen, Verbeeg als vernichtende Streitkraft und entsetzliche, furchteinflößende Trolle als Leibwächter. Und nach seiner Schätzung standen ihm zehntausend fanatisch ergebene Goblinsoldaten zur Verfügung, um seinen Wunsch nach Vernichtung zu verwirklichen.
»Akar Kessell!« schrie er plötzlich dem Haremsmädchen zu, das seine Hände mit den langen Fingernägeln pflegte, während er nachdenklich dasaß. Aber der Geist des Mädchens war schon vor langer Zeit von Crenshinibon zerstört worden. »Ruhm und Ehre für den Tyrannen vom Eiswindtal!«
Weit entfernt von den gefrorenen Steppen hatten die Menschen in den zivilisierten Ländern des Südens mehr Zeit für Muße und nachdenkliche Betrachtungen. Nicht jede Tätigkeit wurde dort von reiner Notwendigkeit bestimmt, und so waren Zauberer und Möchtegernzauberer weniger außergewöhnlich. Die wahren Magier, lebenslange Schüler der geheimen Künste, übten ihren Beruf mit gebührendem Respekt vor der Magie aus und waren sich stets der möglichen Folgen ihrer Zaubersprüche bewußt.
Falls sie nicht von der Begierde der Macht verzehrt wurden, was dann jedoch höchst gefährlich wurde, führten sie ihre Experimente mit Vorsicht durch und lösten selten Unheil aus.
Die Möchtegernzauberer dagegen, die irgendwie zu irgendeinem magischen Können gekommen waren, ob sie nun eine Schriftrolle, das Zauberbuch eines Meisters oder ein Relikt gefunden hatten, verursachten häufig verheerende Katastrophen.
In jener Nacht trat in einem Land tausend Meilen von Akar Kessell und Crenshinibon entfernt genau dieser Fall ein. Ein Zauberlehrling, ein junger Mann, der seinem Meister seine Begabung bewiesen hatte, war zufällig in den Besitz der Darstellung eines mächtigen magischen Kreises gekommen und hatte daraufhin einen Beschwörungszauber gesucht und gefunden. Angelockt von der Aussicht auf Macht, gelang es dem Lehrling, aus den privaten Aufzeichnungen seines Meisters den wahren Namen eines Tanar-Ri zu erfahren.
Für die Schwarze Magie, die Kunst, böse Geister von anderen Ebenen zu beschwören und sie zu versklaven, zeigte dieser junge Mann eine besondere Vorliebe. Sein Meister hatte ihm erlaubt, Winzlinge und Schatten durch ein magisches Portal treten zu lassen. Es waren Experimente gewesen, die er sehr genau beobachtet hatte, denn er hatte die Hoffnung gehegt, die möglichen Gefahren dieser Kunst aufzuzeigen und den Lektionen Eindringlichkeit zu verleihen. Doch diese Vorführungen hatten leider nur mit sich gebracht, daß das Interesse des jungen Mannes an der schwarzen Kunst gesteigert wurde. Er hatte seinen Meister angefleht, es mit einem richtigen Tanar-Ri versuchen zu dürfen, aber der Zauberer wußte, daß der Lehrling für diese Prüfung noch nicht bereit war.
Der Lehrling jedoch war anderer Meinung.
Noch am gleichen Tag hatte er den Kreis vollständig beschriftet. So zufrieden war er mit seiner Arbeit, daß er nicht einmal einen zusätzlichen Tag aufwandte (einige Zauberer nahmen sich dafür eine ganze Woche Zeit), um die Runen und Symbole zu überprüfen oder den Kreis erst einmal mit einer niedrigeren Wesenheit, beispielsweise einem Schatten, auszuprobieren.
Jetzt saß er in dem Kreis und hielt die Blicke auf das
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