Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
fauchte Vierna durch ihre gefletschten Zähne. Sie schlug Drizzt wieder, diesmal mehrmals in rascher Folge. Er spürte, wie sein Blut warm sein Gesicht hinabrann.
Drizzt schwieg für den Augenblick und verlor sich in seinen eigenen Gedanken über Vierna und das Monster, zu dem sie geworden war. Sie ähnelte nun stärker Briza, Drizzts ältester und bösartigster Schwester, und war in einer Raserei gefangen, die die Spinnenkönigin stets zu befördern bereit war. Wo war die Vierna geblieben, die dem jungen Drizzt heimlich Mitleid gezeigt hatte? Wo war die Vierna, die mit ihm die dunklen Wege beschritten hatte, so wie es auch Zaknafein getan hatte, die damals aber niemals völlig zu akzeptieren schien, was Lloth zu bieten hatte.
Wo war Zaknafeins Tochter?
Sie war tot und begraben, sagte sich Drizzt, als er das erhitzte Gesicht vor sich betrachtete. Begraben unter den Lügen und den leeren Versprechungen von falschem Ruhm, die alles in der dunklen Welt der Drow verdorben hatten.
»Ich werde dafür sorgen, daß Ihr dafür bezahlt«, sagte Vierna mit wieder ruhiger Stimme, und die Hitze wich allmählich aus ihrem zarten, schönen Gesicht.
»Das haben schon Schlimmere als Ihr versucht«, erwiderte Drizzt, der ihre Absicht mißverstand. Viernas Lachen zeigte, daß sie den Fehler in seiner Schlußfolgerung erkannt hatte.
»Ich werde Euch Lloth übergeben«, erklärte die Priesterin. »Und als Gegenleistung werde ich mehr Macht erhalten, als sich selbst die ehrgeizige Malice je erhofft hat. Freut Euch, mein verlorener Bruder, und wißt, daß Ihr dem Haus Do'Urden zu mehr Ansehen und Macht verhelfen werdet, als es je zuvor gekannt hat.«
»Macht, die vergehen wird«, erwiderte Drizzt ruhig, und sein Tonfall verärgerte Vierna mehr als seine einsichtsvollen Worte. »Macht, die das Haus über einen weiteren Abgrund aufsteigen lassen wird, so daß ein weiteres Haus, das Lloths Gunst erlangt, Do'Urden erneut hinabstoßen kann.«
Viernas Lächeln wurde breiter.
»Ihr könnt es nicht leugnen«, knurrte Drizzt sie an, und diesmal war er es, der im Krieg der Worte strauchelte, der seine Logik, wie richtig sie auch war, als unzureichend empfand. »Es gibt in Menzoberranzan keine Beständigkeit, keine Dauerhaftigkeit jenseits der neuesten Laune der Spinnenkönigin.«
»Gut, mein verlorener Bruder«, schnurrte Vierna.
»Lloth ist ein verdammtes Wesen!«
Vierna nickte. »Eure Gotteslästerung kann mir nicht mehr schaden«, erklärte die Priesterin in tödlich ruhigem Ton, »denn Ihr gehört nicht mehr zu mir. Ihr seid nicht mehr als einhausloser Abtrünniger, den Lloth als geeignet für ein Opfer erklären wird.
Also fahrt nur fort damit, Eure Flüche auf die Spinnenkönigin zu speien«, fuhr Vierna fort. »Zeigt Lloth, wie angemessen dieses Opfer sein wird! Wie ironisch dies ist, denn wenn Ihr Eure Handlungen bereuen könntet, wenn Ihr zu der Wahrheit Eures Erbes zurückkehrtet, dann würdet Ihr mich besiegen.«
Drizzt biß sich auf die Lippen, da er erkannte, daß er besser schwieg, bis er die Bedeutung dieses unerwarteten Treffens besser ausloten konnte.
»Versteht Ihr nicht?« fragte ihn Vierna. »Die gnädige Lloth würde Euer geschicktes Schwert wieder willkommen heißen, und mein Opfer wäre keines mehr. Somit würde ich als eine Ausgestoßene wie Ihr leben müssen, eine hauslose Abtrünnige.«
»Habt Ihr keine Angst, mir das zu sagen?« fragte Drizzt sie zögernd.
Vierna verstand ihren abtrünnigen Bruder besser als er geglaubt hatte. »Ihr werdet ja doch nicht bereuen, närrischer, ehrenhafter Drizzt Do'Urden«, erwiderte sie. »Ihr würdet eine solche Lüge nicht äußern, würdet der Spinnenkönigin, selbst um Euer Leben zu retten, nicht die Treue schwören. Was für nutzlose Dinge sind doch diese Ideale, die Ihr so wertschätzt!«
Vierna schlug ihn erneut, aus keinem besonderen Grund, den Drizzt hätte erkennen können, und wirbelte davon; ihre heiße Form verschwamm in dem Schwung der geistlichen Roben, die sie abschirmten. Wie passend es war, daß die wahren Umrisse seiner Schwester unter den Gewändern der bösartigen Spinnenkönigin verborgen wurden, dachte Drizzt.
Der seltsam gekleidete Drow, der mit Entreri gesprochen hatte, kam jetzt zu Drizzt herüber, wobei seine hohen Stiefel laut auf den Boden knallten. Er warf ihm einen fast mitfühlenden Blick zu und zuckte dann mit den Schultern.
»Es ist eine Schande«, bemerkte er, während er das leuchtende Blaue Licht aus den Falten seines schimmernden
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