Die Vergessenen Welten 10 - Die Küste Der Schwerter
früher mit Pinochet gesegelt«, erklärte Deudermont. »War erster Maat auf dem Flaggschiff des Piraten. Er gehörte zu denen, gegen die wir in Asavirs Kanal gekämpft haben.«
»Ist er gefangen worden?« fragte Drizzt.
Deudermont schüttelte den Kopf. »Carrackus ist ein Scrag, ein Seetroll.«
»Ich kann mich nicht an ihn erinnern.«
»Er hat einen Hang dazu, sich rechtzeitig zu verdrücken«, erwiderte Deudermont. »Wahrscheinlich ist er über Bord gesprungen und ins Meer getaucht, sobald Wulfgar unser Schiff gedreht hatte, um sie zu rammen.«
Drizzt erinnerte sich an das damalige Geschehen, an den unglaublichen Zug, mit dem sein starker Freund die erste Seekobold fast auf der Stelle gewendet hatte, so daß sie direkt auf die erstaunten Piraten zugefahren war.
»Carrackus war jedenfalls dabei«, fuhr Deudermont fort. »Allen Berichten zufolge war er es, der Pinochets beschädigtes Schiff gerettet hat, als ich ihn vor Memnon treiben ließ.«
»Und ist der Seetroll noch immer mit Pinochet verbündet?« fragte Drizzt.
Deudermont nickte grimmig. Die Schlußfolgerung war offensichtlich. Pinochet konnte nicht persönlich gegen die lästige Seekobold kämpfen, da er im Gegenzug für seine Freiheit geschworen hatte, sich nicht an Deudermont zu rächen. Der Pirat verfügte jedoch über andere Möglichkeiten, es seinen Feinden heimzuzahlen. Er besaß viele Verbündete wie Carrackus, die nicht durch einen persönlichen Eid gebunden waren.
In diesem Augenblick wußte Drizzt, daß Guenhwyvar gebraucht werden würde, und er zog die feingeschnittene Figur aus der Tasche. Er sah den Kapitän prüfend an. Deudermont war groß und hielt sich aufrecht. Er war schlank, dabei aber muskulös, sein graues Haar und sein Bart waren sauber geschnitten. Er war ein eleganter Mann, seine Kleidung war tadellos und hätte genausogut zu einem großen Ball gepaßt wie hier auf offener See. Jetzt verrieten seine Augen, deren Färbung so hell war, daß sie vor allem die Farben seiner Umgebung reflektierten, wie angespannt er war. Viele Monate lang schon hatten sie Gerüchte vernommen, die besagten, daß die Piraten sich gegen die Seekobold organisierten. Die Bestätigung, daß die Karavelle vor ihnen mit Pinochet verbündet war, ließ in Deudermont die Gewißheit wachsen, daß dies hier keine zufällige Begegnung war.
Drizzt warf einen Blick zu Robillard, der sich jetzt auf ein Knie aufgerichtet, die Augen geschlossen und die Arme ausgestreckt hatte und tief in Meditation versunken war. Jetzt verstand der Drow, warum Deudermont mit einem so halsbrecherischen Tempo fuhr.
Einen Moment später stieg eine Nebelwand um die Seekobold auf, die den Blick auf die Karavelle verschleierte, die inzwischen nur noch knapp hundert Meter entfernt war. Ein lautes Platschen neben ihnen zeigte an, daß das Katapult mit seinem Beschuß begonnen hatte. Einen Augenblick später zuckte vor ihnen eine Feuerwand auf, die in einem zischenden Schwall aus Dampf verging, als die Seekobold und ihr Schutzwall aus Nebel hindurchfuhren.
»Sie haben einen Zauberer«, meinte Drizzt.
»Das überrascht mich nicht«, erwiderte Deudermont. Er blickte zu Robillard. »Beschränke dich auf Schutzmaßnahmen«, befahl er. »Wir können sie mit Ballista und Bögen kriegen!«
»Der Spaß gehört euch«, kam Robillards trockene Antwort.
Deudermont lächelte trotz seiner offensichtlichen Anspannung.
»Geschoß!« erklangen erst ein, dann mehrere Rufe von vorne. Deudermont riß instinktiv das Steuerrad herum. Die Seekobold l egte sich so weit zur Seite, daß Drizzt schon befürchtete, sie würde umschlagen.
Im gleichen Augenblick hörte er rechts von sich einen Windstoß, als ein riesiger Ballista-Pfeil vorbeischoß, ein Tau zerfetzte, die Kante des Achterdecks direkt neben dem überraschten Robillard streifte, abprallte und ein kleines Loch in das Kreuzsegel riß – das Segel am Besanmast.
»Sichert das Tau!« befahl Deudermont ruhig.
Drizzt war bereits auf dem Weg dorthin, und er bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit. Er erwischte das zuckende Seil, band es schnell fest und trat dann an die Reling, als die Seekobold sich wieder aufrichtete. Er blickte zu der Karavelle hinüber, die sich jetzt etwa fünfzig Fuß entfernt an Steuerbord befand. Das Wasser zwischen den beiden Schiffen war aufgewühlt. Hohe Wellenkämme sprühten weiße Gischt in die Luft, wo sie vom Wind zu Nebel zerstäubt wurden.
Die Mannschaft der Karavelle verstand nicht, was vorging, und so
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