Die Vergessenen
verriet ihm, dass der Eindämmungszaun rings um die Atheter-KI nur noch wenige Kilometer entfernt war und sie ihn innerhalb von Minuten überqueren würden. Die Frage war jedoch an ihn und ihn allein gerichtet.
»Er möchte seinen Meister, diesen Weber, wiederbeleben«, antwortete er.
»Ja.«
»Falls er das jedoch tut, würde dieses Ding ihn aufhalten, das ihn schon einmal fertiggemacht hat«, fuhr Grant fort.
»Folglich?«
»Hat Drache etwas anderes getan?«
»Präzise«, sagte Tombs. Er streckte eine Hand aus und legte sie Shree auf die Schulter. Sie schien diese schon abschütteln zu wollen, da erstarrte sie. Spürte sie diese Starre, diese unnatürliche Kraft, die Grant ebenfalls gespürt hatte? »Drache begriff etwas, was die Atheter, der Weber selbst und auch der Techniker nicht begriffen. Das Grauen der Atheter vor der Dschainatechnik, das Grauen, das sie in den Wahnsinn und zum kollektiven Selbstmord trieb, ist eine Schwäche, die man ausnutzen kann.«
Hinter tief hängenden Nebelschwaden voraus wurde die Barriere erkennbar. Das Ding ragte fünf Meter hoch auf. Auf den ersten Blick schien sie nicht das geringste Hindernis darzustellen, denn sie bestand aus langen Bogenabschnitten aus Röhrenkeramal. In den Schaumsteinflößen jedoch, in denen die Bögen verankert waren, lagen Hartfeldprojektoren, und die Bögen selbst enthielten alle möglichen Sensoren. Die Tiere Masadas konnten die Barriere ungehindert passieren, aber sobald ein Mensch, Drachenmensch oder sonst eine Intelligenz dies ohne Genehmigung versuchte, versperrten ihr die Hartfelder den Weg. Grant brachte den Van auf einen Kurs, der parallel zur Barriere verlief.
»Was du sagst, ergibt keinen Sinn«, fand Shree. Sie starrte mit großen Augen geradeaus.
»Dschainatechnik ist der Schlüssel – Drache wusste das«, sagte Tombs. »Dieser Schlüssel musste jedoch sicher aufbewahrt werden, bis das Schloss, in das er passte, in Position gebracht werden konnte.«
»Und was für ein Schloss wäre das?«, fragte Grant.
Tombs ignorierte die Frage einfach und fuhr fort: »Der Techniker ist eine Kriegsmaschine, eine sehr hochentwickelte biomechanische Kriegsmaschine, die zwei Millionen Jahre überlebt hat. Ihr Zweck besteht im Kampf, in der Vernichtung des Feindes. Der Schutz ihrer Athetermeister war nur ein Resultat dieses Zwecks, ein Sekundärzweck, und einer, dem sie in einem Fall über all diese Jahre hinweg gedient hat. Wie ein Soldat jedoch, der einen Zivilisten unmittelbar beschützt, war sie stets behindert. Sie konnte sich niemals selbst im Kampf riskieren, während sie den Schützling tatsächlich in sich barg.«
»Den Weber«, sagte Grant, nicht sicher, wohin das alles führte.
»Ja, den Weber … gekämpft hat der Techniker immer nur, wenn er gezwungen war, sich selbst zu schützen. Als die Theokratie ihn umzubringen versuchte, hat er reagiert, jedoch nur auf begrenzte Art und Weise, hat immer nur die unmittelbare Bedrohung für ihn und seinen Meister ausgeschaltet, ehe er sich wieder versteckte. Selbst Intelligenzen wie Amistad verstehen im Grunde nicht, wozu er fähig ist, obwohl Penny Royal inzwischen vielleicht eine Ahnung davon hat.«
»Warte mal eine Minute«, sagte Shree. »Möchtest du damit sagen, dass er nicht mehr behindert ist?«
»Ja, das möchte ich damit sagen.«
»Okay, wir kehren nach Dragon Down zurück«, sagte Grant.
»Nein«, entgegnete Tombs.
Grant drehte sich zu ihm um. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, sagst du, dass der Techniker keine Kopie des Webers mehr in sich trägt, was bedeutet, dass nur noch die Kopie in deinem Kopf existiert. Damit ist das Risiko zu groß. Du darfst nicht umkommen.«
»Ich werde nicht umkommen«, sagte Tombs, »und du wirst mich zu Sanders bringen.«
Es geschah so schnell, dass Grant nicht mal Gelegenheit fand, die Hand vom Joystick des Gravovans zu nehmen. Tombs Hand erzeugte ein schnippsendes Geräusch, als sie herabkam. Grant spürte ein leichtes Zucken an der Taille, dann drückte ihm Tombs den Lauf der eigenen Scheibenpistole in die Grube zwischen Schlüsselbein und Hals. Grant blickte zu Shree hinüber, als diese zusammensackte und bewusstlos zur Seite kippte.
»Du riskierst zu viel, Tombs«, sagte Grant.
»Hast du dieses Risiko abgewogen, als du gegen die Theokratie gekämpft hast?«
»Ich verstehe das nicht – du bist jetzt mehr Weber als der ursprüngliche Jeremiah Tombs …«
»Du hast recht: Du verstehst es nicht. Der Weber hat mich verändert; der Weber
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