Die Vergessenen
Einen Augenblick lang kam sie sich klein und völlig verloren vor, aber dann überschwemmte sie der Zorn und ertränkte die anfängliche Reaktion. Er verspottete sie, und jetzt wurde es Zeit, ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen. Sie senkte die Pistole ein Stück weit, wollte vermeiden, dass er sofort starb, wollte nur erreichen, dass er litt. Ein durch Verbrennung kauterisiertes Loch in den Eingeweiden würde das bewirken.
Durch zusammengebissene Zähne presste sie hervor: »Ich denke, ich habe jetzt genug von dir, Tombs.«
Sie drückte den Abzug. Die Schmalpistole erzeugte einen leichten Rückstoß, als sie ihre Ladung aus ionisiertem Aluminiumstaub abfeuerte. Der Aufprall erfolgte als Blitzgewitter vor Tombs, als so etwas Ähnliches wie eine zwei Meter hohe Glasscheibe kurz vor ihm erkennbar wurde. Als sich das Feuer zerstreut hatte, stand er einfach nur da und starrte sie an. Deshalb konnte er sie also verspotten. Sie gab zwei weitere Schüsse ab, und beide prallten vom selben Hartfeld ab. Sie schwenkte die Pistole und schoss auf Sanders. Ein Hartfeld stoppte auch diesen Angriff.
»Selbstschutz«, erklärte Grant. »Die Polis-KIs haben ihrem außerirdischen Bruder die Mittel an die Hand gegeben, sich zu verteidigen.«
Shree steckte die Pistole abrupt ins Holster zurück und hielt den Zylinder hoch, einen Finger über dem Endstück.
»Ihr lasst mir keine andere Wahl«, sagte sie.
»Man hat immer eine Wahl«, wandte Tombs ein. »Leg das einfach auf den Boden und geh – in den nächsten Stunden werden die KIs zu stark beschäftigt sein, um nach dir zu suchen.«
»Nein«, sagte Shree, die auf einmal ganz gelassen war. Sie drückte den Finger auf die Zylinderkappe und nahm ihn wieder zurück. Sicher, die Geostatkanone war derzeit nicht hier auf den Erdboden gerichtet, aber sobald sich die Dschainatechnik ausbreitete, würden die Polis-KIs schnell reagieren. Shree spürte, wie ihr eine gewaltige Last von den Schultern fiel, und wartete auf ihr Ende.
Nichts geschah.
Eine Leere breitete sich in ihr aus, und sie drückte erneut mit dem Finger zu, aber nach wie vor reagierte der Zylinder nicht.
»Ich sagte dir schon: Blau hat dafür gesorgt, dass du mir diesen Gegenstand bringst«, erklärte Tombs. »Das vor Augen, denkst du doch nicht, dass Blau dir eine Möglichkeit eingeräumt hat, ihn zu öffnen, oder?«
Shree kam sich auf einmal sehr dumm vor, sah dann jedoch ihren Weg deutlich vor sich. Sie bückte sich und legte den Zylinder auf den Boden, hielt ihn dort mit einem Fuß fest, zog die Pistole und schoss auf das Ding. Feuer loderte über den Boden, über ihren Stiefel und am Bein empor. Sie schrie auf und wich zurück. Die Hose glomm und erlosch wieder.
»Nano-verchromtes, gehärtetes Keramal, wie mir scheint«, sagte Grant. »Man bräuchte eine Protonenwaffe, um das zu knacken.«
Jede Möglichkeit war ihr versperrt, aber sie wollte verdammtsein, wenn sie zuließ, dass die anderen gewannen. Sie bückte sich, hob den Zylinder auf, stöhnte, als er ihr die Haut verbrannte, stürmte auf die nahen Säulen zu. Kurz streifte etwas sie an der Schulter – ein Hartfeld, mit dem sie aufgehalten werden sollte. Dann war sie draußen auf dem Gehweg, rappelte sich auf, rannte.
KAPITEL ACHTZEHN
Dschainatechnik – ein kurzer Überblick
Inzwischen scheint auf der Hand zu liegen, dass diese Technik während eines grausamen und Zeitalter überspannenden Krieges zwischen Dschaina-Gruppierungen entwickelt wurde. Außerdem scheint auf der Hand zu liegen, dass sie sich entwickelte und zerstörerischer wurde, als die Gruppierung, die sie hergestellt hatte, ursprünglich wollte. Hier haben wir den Grund, warum keine Dschaina und keine Atheter mehr existieren, und sehr wahrscheinlich auch den Grund, warum es keine Csorier mehr gibt. Eine ganze Technik funktioniert hier wie eine Sprengfalle, aber eine von solchem Ausmaß, dass sie bei ihrer Detonation eine ganze Zivilisation auslöschen kann. Sie ist ein Giftkelch, Saurons Ring der Macht und die Büchse der Pandora, obwohl im letztgenannten Fall eine Version, die keinerlei Hoffnung enthält. Einmal initialisiert, gewährt Dschainatechnik ihrem Wirt die Macht, so ziemlich jede andere Technik und außerdem andere Lebensformen in seine Gewalt zu bringen. Weder Menschen noch künstliche Intelligenzen sind dagegen gefeit. Der Wirt erhält außerdem Gelegenheit, die eigene Intelligenz zu steigern, und so kann eine einzelne Person mühelos die Macht über einen ganzen Planeten oder
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