Die Vergessenen
Sicherheitsmann, den Shree früher zu seiner Morgenschicht das Gebäude betreten gesehen hatte, sowie vielleicht ein paar Extras, die Mulen innerhalb und außerhalb seiner Wohnung und seines Büros bei Glaffren Shipping installiert hatte.
Shree richtete das Fernglas tiefer und suchte den Rest von Zealos City ab. Viele neue Häuser wuchsen gerade empor; es wurde stark renoviert, und viele hier nutzten die zunehmend verfügbar werdende Polistechnik. Natürlich hatte es Mulen, der sich inzwischen Andrew Glaffren nannte, abgelehnt, irgendetwas dieses gottlosen Zeugs in seiner Nähe zu dulden, darunterauch die Sicherheitsdrohnen und KI-Überwachung. Er war so töricht zu glauben, dass seine neue Identität und das neue Gesicht reichten, und er berücksichtigte nicht, dass die Zealos-Polizei mit ihrem inzwischen umfangreichen Kontingent ehemaliger Untergrundrebellen von Unterstützern des Aufräumkommandos durchsetzt war, von Leuten, die Shree und ihre Kameraden mit den Informationen versorgt hatten, die sie benötigten, um … aufzuräumen. Shree war sich natürlich völlig darüber im Klaren, dass ihre Handlungsfreiheit bald eingeschränkt werden würde, während die Polis ihre Macht hier konsolidierte. Sie wusste jedoch auch, dass die Polis-KIs nicht übertrieben erpicht schienen, die Aktionen des Aufräumkommandos zu stoppen … vielleicht waren sie mit der eigenen Politik nicht gänzlich einverstanden.
Sie klappte das Fernglas zu und steckte es in den Rucksack, nahm diesen auf die Schulter und schlenderte zur Treppe hinüber, die von der Glasbedachung führte. Mulens größter Fehler – der Informationen über ihn leichter verfügbar machte – hatte darin bestanden, dass er nicht bereit gewesen war, das Familiengeschäft aufzugeben. Während er eine Spezialausbildung für seine Stellung in der Theokratie antrat, blieb seine Familie im Besitz zahlreicher Squermteiche. Die Hälfte dieser Teiche verlor sie, als Lellans Übergangsregierung diese konfiszierte, aber den Rest behielt sie, und die Polisroboter, deren Einsatz Mulen nicht abgeneigt schien, erwirtschafteten ein gutes Einkommen.
Die Wendeltreppe wand sich gleichmäßig bis zur Eingangshalle des Wohngebäudes hinab, wo Shree den Rucksack in einem Schließfach verstaute. Die Gegenstände in dem Rucksack hatten sich zu anderen Gelegenheiten als sehr nützlich erwiesen, aber hier brauchte sie keinen davon – lediglich ihre Haut mit der aufgesprühten Schicht, die den Verlust von Hautzellen und sonstigen DNA-Beweisen verhinderte, sowie die Hände. Auf der öffentlichen Toilette kontrollierte sie im Spiegel das Make-up,bürstete die aschblonden Haare, achtete darauf, dass sie den sichelförmigen Verstärker hinterm Ohr verdeckten, strich mit den Händen am hautengen Kleid hinab, in dem sie steckte, und überzeugte sich davon, dass der Ausschnitt ausreichend tief war und die leichte Lichtdurchlässigkeit des Stoffs das Fehlen jeder Unterbekleidung auch wirklich deutlich machte.
Sie verließ die Eingangshalle und gelangte auf die überdachte Straße. Diese Gegend war einer der wohlhabenderen Vororte gewesen, wo zumeist Menschen lebten, die höhere Ränge in der Theokratie einnahmen. Hier hatte man nicht für die Atemluft in einem Gang zahlen müssen und es hatte nicht das Risiko bestanden, durch angesammelte Sauerstoffschuld in der Sklaverei zu landen, begleitet von der Implantierung eines Skoles und schlussendlichem Ableben bei der Schufterei an einem Squermteich. Heute war die Lage anders. Man sah keine der weißen Uniformen mehr, von den Unterarmen bis zu den Fußknöcheln mit Texten aus den Satagenten beschriftet, und der einzige bärtige Narr in langem Gewand war der Prediger an der Ecke, der überhaupt nicht zur Bruderschaft gehört hatte, sondern ein Einwohner der Stadt war, der es genoss, die Religion zu verspotten und sich mit den Gläubigen zu streiten, die nach wie vor die Bevölkerungsmehrheit bildeten.
Innerhalb weniger Minuten erreichte Shree die Stahltreppe, die zu Mulens Wohngebäude hinaufführte, erstieg sie und betrat die glasüberdachte Zone vor der Tür, wo sie stehen blieb. Sie blickte sich einen Moment lang interessiert um und streckte dann den Daumen zum Kommunikatorbildschirm neben der Tür aus. Ein mürrisch dreinschauender Sicherheitsmann blickte ihr daraus entgegen.
»Ich habe eine Lieferung von Soola für Mr Glaffren«, sagte sie.
»Ich kenne Sie nicht.«
»Ich bin neu, aber nicht ohne Ausbildung.«
»Dann zeigen Sie es mir«,
Weitere Kostenlose Bücher