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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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und stellte fest, dass er schwitzte und doch zugleich fror. Dann erblickte er ein Bild, ein kurzer Eindruck mitdem Code einer Bilddatei entlang der Seite, und es zeigte, wie jemand auf der Schiffswerft von Flint eine riesenhafte Gestalt auf einem Monitor entdeckte, unmittelbar bevor eine Feuerwand auf ihn herabstürzte. Geschrei breitete sich aus; dann verstummten ganze Kanäle, und ein ganzes Stück des Verstärkernetzes verschwand einfach …
    Jem fand sich im Dunkeln auf dem Boden des Boots zusammengerollt, aber die schmerzliche Erinnerung blieb ihm gegenwärtig. Flint war zerstört worden, nicht wahr? So viel wusste er noch: ein kleines Fragment, aus einer Dunkelheit hervorgezerrt, die von etwas Grauenhaftem bewacht wurde. Und jetzt brachte er einfach nicht die Willenskraft auf, um sich erneut dorthin zu wagen. Er achtete darauf, in der Gegenwart zu bleiben, und stellte angewidert fest, dass er sich in die Hose geschissen hatte.
    Er überwand sich, sich zu rühren, zog die Pyjamahose aus, wusch sie und sich selbst mit Meerwasser und warf die Hose dann ans andere Ende des Boots. Als er fertig geworden war, stellte er fest, dass die Morgendämmerung heraufzog – er war also über zehn Stunden lang bewusstlos gewesen. Er saß jetzt einfach nur da, lauschte dem Trommeln des Motors und dem gleichmäßigen Klatschen der See an den Bootsrumpf, hatte jedes Denken eingestellt, sah nichts …
    Die Sonne, die einen Diamantbrocken aus dem Horizont fraß, brachte ihn erneut auf Trab. Er durchsuchte Schließfächer entlang der Bordkanten, fand einen Overall, den er über die Pyjamajacke ziehen konnte, zusammengehalten von einem Waffengürtel, an dem ein großes Messer in der Scheide steckte, und schließlich noch eine Rettungsweste, die er sofort anlegte. Er fand auch eine aufwendig ausgestattete Meditasche mit einem eingebauten Autodok, der an eine Metallspinne im Winterschlaf erinnerte – sicherlich Polistechnik –, Angelausrüstung, Lebensmittel und Getränke. Eine Schusswaffe wäre nützlich gewesen, aber die kurze, bösartige Handharpune, die er fand, musste reichen. Nachdem er so ausgerüstet war, öffnete er eine Flasche und trank von einem kalten Kaffee mit vage salzigem Geschmack, aß Dosenwurst und Trockenobst und starrte in die Ferne.
    Nach seiner Schätzung brauchte er noch weitere drei Tage, um den Hauptkontinent zu erreichen, aber er hoffte, dass ihn eine der Kameras an den Laserstellungen dort oben entdeckte und man einen Proktor mit einem Aerofan entsandte, um der Sache nachzugehen. Wenn das jedoch nicht geschah, was sollte er dann unternehmen?
    Er spähte auf den Konsolenmonitor hinab und benutzte einen kleinen Trackball, um eine Karte des Hauptkontinents aufzurufen. Man fand nicht viel Zivilisation entlang der Südküste, da das Klima dort zwar gut war, aber nicht passend für Ernteteiche. Allerdings lag auf der anderen Seite der Osthalbinsel der Hafen Godhead, wo Schiffe ihre Fracht ablieferten, einen fremdartigen Guano, den sie auf einigen abgelegenen Inseln fanden. Unvermittelt gelangte Jem zu einer Entscheidung. Er musste davon ausgehen, dass manches von dem, was dieser Computer ihm zeigte, den Tatsachen entsprach, wie es die Position des Sonnenaufgangs nachwies, und so nahm er eine Kurskorrektur vor, die ihn um die südöstliche Halbinsel führen würde. Weitere Nachforschungen lieferten ihm die genaue Zahl für die Reisezeit von fünfeinhalb Masadatagen. Zeit, um sein Gedächtnis zu erforschen, falls er das wagte.
    Jem brauchte vier Tage, um der Dunkelheit in seinem Schädel schließlich genug Erinnerungen zu entreißen, um eine kleine, aber zusammenhängende Sammlung aufzubauen. Es waren vier Tage, in denen er eine Wunde sondierte und oft feststellte, dass der Schmerz zu stark wurde, um bei Bewusstsein zu bleiben. Nachdem er seine Kleidung ein zweites Mal im Meer hatte waschen müssen, hatte er gelernt, dass er am besten die Hose auszog, ehe er sich um Erinnerungen bemühte, denn er verlor dabeiimmer komplett die Selbstbeherrschung. Zuvor musste ihn Sanders jedes Mal gewaschen haben …
    Sanders? Zuvor?
    Ja, die Rebellenärztin, die er auf der Flucht umgebracht hatte. Er sah sie in Gedanken klar vor sich, nackt auf dem Strand, aber diese Erinnerung konnte nicht echt sein, denn Sanders trug darin keine Atemmaske.
    Chirurgische Modifikation. Polistechnik.
    Er schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. Wahrheit und Fiktion würde er später sortieren müssen, denn er erinnerte sich deutlich

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