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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Trümmerteile richtete, konnte er deren Vorhandensein nicht abstreiten. Das war keine Vision, keine Illusion, und es konnte auch nichts sein, was man allein für ihn inszeniert hatte. Hier war wirklich eine Schlacht ausgetragen worden, und er musste diese Tatsache akzeptieren und integrieren. Jetzt sank er unvermittelt auf die Knie, aber er tat es, um die Satagenten zu rezitieren, den Versuch zu unternehmen, dieses ständige Murmeln im Hintergrund zu übertönen, und wichtiger noch, um eine Inspiration in deren Wahrheit zu finden, eine Art Anleitung. Jedoch spendeten ihm die Satagenten keinen Trost, und schon während er mit dem zweiten Satagenten begann, empfand er die Worte als leer. Er stand auf und ging weiter. Er würde die Wahrheit in Godhead finden. Die Offenbarung würde erfolgen; das musste sie einfach.
    Während er sich weit draußen am Strand hielt, brachte ihn ein Gefühl des Unwirklichen, das vom seltsamen Gemurmel noch verstärkt wurde, auf eine innere Distanz zur erschreckenden Realität der Schnatterente links von ihm. Er näherte sich der verwüsteten Stelle. Er hatte eindeutig ein Loch im Verstand. Er wusste nicht mehr, wie er den Rebellen in die Hände gefallen war, also fand man vielleicht ein Körnchen Wahrheit in den Dingen, die Sanders ihm erzählt hatte, denn letztlich waren die besten Lügen immer mit wahren Bestandteilen durchsetzt. Da er den Wracks jetzt näher gekommen war, fiel ihm noch etwas anderes auf: Sie wirkten alt; Moos wuchs auf einigen von ihnen und Netze aus pilzartigen Myzelien …
    Zwanzig Jahre …
    Er schüttelte den Kopf und versuchte, all das deutlicher zu erkennen. Da entdeckte er die Maschine.
    Sie arbeitete inmitten der Verwüstung, bewegte sich auf Gleisketten aus Schaummetall auf dem weichen Schlamm, der zylinderförmige Rumpf schlammbespritzt, während die Mantisarme den Erdboden vor ihr aufschaufelten und umgegrabener Schlamm sich hinter ihr häufte. Jetzt erblickte er die nächste Maschine – eiförmiger Rumpf auf Spinnenbeinen, und sie sondierte den Boden mit einem Saugrüssel, der fast an den Schnabel einer Heroyne erinnerte. Und noch eine Maschine – die mit einem flachen Arm Erdboden in eine Art Sieb schaufelte und dort durchschüttelte, während sie ihren Metallrumpf durch raupenhafte Krümmungen fortbewegte. Diese Maschinen waren es, wie Jem klar wurde, die die Stelle unpassierbar gemacht hatten, nicht die Schlacht, die hier ausgetragen worden war. Er hatte noch nieso etwas wie diese Maschinen gesehen, konnte sie nicht in seine Realität einordnen. Abrupt bog er landeinwärts ab und näherte sich dem schmalen Streifen zwischen der Stelle, die von den Maschinen besetzt war, und dem Flötengras, und die Angst vor der Schnatterente ging in der schieren Unverständlichkeit dieses Anblicks unter.
    Sobald Jem den schmalen Streifen erreicht hatte, trabte er los, entschlossen, diese Stelle hinter sich zu bringen, irgendwohin zu gelangen, wo er wieder klare Gedanken fassen konnte. Aber als er einen Vorsprung des Flötengrases umlief, hatte es den Anschein, als wäre jemand oder etwas entschlossen, ihm Dinge in den Weg zu stellen. Weiter voraus hatte man ein Stück Silberfolie quer auf seinem Weg ausgelegt und befestigt, und Glasobjekte lagen ordentlich darauf verteilt. Als er davorstand, betrachtete er forschend eines dieser Objekte und stellte fest, dass er einen Sarg vor sich sah. Darin lag die Leiche eines Soldaten der Theokratie, bedeckt von schwarzen Schlammflecken, runzelig und teilweise konserviert in dieser Umgebung, die nicht die nötigen Mittel für menschliche Verwesung bereitstellte. Jeder Sarg hier, und es waren Hunderte, enthielt ein ähnliches schwarzes Gerippe.
    »Sappel klogger«, sagte die Schnatterente einsichtig.
    Jem drehte sich um und starrte auf die berghohe pyramidenförmige Kreatur, die weniger als zehn Meter entfernt hockte. Sie erinnerte an einen rundlichen fröhlichen Buddha, der sich im Vorfeld eines gewaltigen Schmauses entspannte, während die Speise vor ihm in Glassärgen ausgebreitet lag.
    Jem rannte los und setzte dabei über Särge hinweg, und ein Laut entwich von tief aus seiner Brust, der vielleicht ein Schrei war, vielleicht auch Gelächter.

KAPITEL SECHS
Squerm-Essenz
    Das bedeutendste Exportgut Masadas war und ist die Squerm-Essenz. Squerme, eine genetische Verknüpfung von Röhrenwürmern, Flusskrebsen und Hummern, können in Wasser mit geringem Sauerstoffgehalt überleben. Sie brauchen fünf Jahre, um vom Ei zur aggressiven

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