Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
entlang des ganzen Kontinents, abgesehen vom Küstenabschnitt zu Füßen der nördlichen Berge, bestand das Ufer aus festem Schlamm oder Kies. Die Uferlinie war in ständigem Fluss, da ihr keinerlei Gestein Halt bot. Trikonus-erzeugter Erdboden wurde ständig weggespült oder neu angespült, und oft trug das Meer in seiner ständigen Erosionstätigkeit alles weg außer den größten Objekten, die die Trikonusse bei ihrem fortwährenden Mahlen zurückließen. Dabei entstand ein Kies, dessen Körner nicht größer waren als diese grotesk präzisen drei Millimeter Durchmesser, jede Aufschichtung gekrönt von leichteren Schaumgesteinkieseln, abgescharrt von den zahlreichen Floßfundamenten weiter im Inland. Auch das Flötengras kämpfte um die Rückgewinnung von Land, während sich das Meer dagegenstemmte, um es sich zurückzuholen. Auf See erblickte man häufig, wie Jem wusste, schwimmende Inseln aus sterbendem Flötengras, das die Stürme des Spätsommers vom Festland abgerissen hatten.
    Noch weitere Dinge fanden zunehmend seine Aufmerksamkeit, fast so, als erwachte er aus einem Albtraum und wendete sich dem hellen Tag zu. Er entdeckte eine Drift aus schneeweißen Trikonusschalen, keine größer als drei Finger, die aussahen, als erblickte man den Rücken irgendeines wilden Tieres, das sich anschickte, in den Schlamm abzutauchen. Das waren die Exemplare, die an der hohen Salzkonzentration im Schlamm gestorben waren, ein Salzgehalt, den ihre Artgenossen durch das Zermahlen des Landes erzeugt hatten und der fortwährend ins Meer hinausgespült wurde. Jem erinnerte sich an von der Theokratie genehmigte Brocken Biologie und wusste daher, dass die Trikonusse dort nicht mehr überleben konnten. Außerdem erblickte er Fadenwürmer, die sich wie langsam kriechende Aderndurch eine Böschung aus hartem Schlamm schlängelten, einen Schwarm Schlammklopfer, die zu den Wellen huschten, als sie sein Näherkommen bemerkten, und er duckte sich schließlich, als er eine kleine Heroyne entdeckte, die über eine sich jetzt rechts von ihm ausbreitende Schlammfläche stakste. Ein Stück Tageshelligkeit schien ihm jedoch erst dann verloren zu gehen, als er an einem seltsam geformten Lavabrocken vorbeikam, in dem er dann das Segment eines toten Kapuzlers entdeckte. Dieser andere Laut, der dann aus dem Flötengras herüberklang, erledigte den Rest.
    »Jisseck blaggerschlack«, sagte eine Stimme ganz deutlich, und ein gewaltiger Schatten bewegte sich dort.
    Mit völligem kaltem Grauen wurde ihm klar, dass dort eine Schnatterente mit ihm Schritt hielt.
    Das Gemurmel war wieder da, dieses Ding, das sich irgendwo rührte. Zunächst schien es, als stammte der Laut womöglich von der Schnatterente, aber irgendwo tief in sich wusste Jem, dass diese nicht die ursprüngliche Quelle bildete. Die Kreatur war ein Relais, und ihre Gegenwart verstärkte irgendwie dieses … Gefühl von etwas anderem.
    Es schien keinen Sinn zu haben, wenn er fortlief, denn die einzigen Raubtiere, denen ein Mensch hier zu Fuß entrinnen konnte, waren die, die aus dem Hinterhalt angriffen wie die Schlammschlangen. Eine Schnatterente konnte ihn mit ihrer seltsamen schreitenden, wogenden Gangart innerhalb weniger zig Meter einholen, also wenn sie ihn töten wollte, dann war er tot. Aber selbst unter diesen Umständen fand er auf einmal Raum für Optimismus. Eine Heroyne, die groß genug war, um ihn als praktikable Beute zu betrachten, wäre innerhalb eines Augenblicks bei ihm gewesen und hätte ihn im Ganzen verschluckt, auf dass er in ihrer Magensäure erstickte und verbrannte. Auch eine Siluroyne hätte nicht gezögert und ihn geschnappt und lebendiggefressen, obwohl ihr durch sein Fleisch später so schlecht geworden wäre, dass sie seine Überreste wieder erbrochen hätte. Schnatterenten hingegen waren merkwürdig eigenwillige Kreaturen, deren Aktionen oft konträr zum konventionellen Verhalten von Raubtieren gegenüber ihrer Beute standen.
    Schnatterenten setzten ihrer Beute zuzeiten mit unerhörter Hartnäckigkeit nach … Jem erinnerte sich klar an die Geschichte eines Proktors, der hoch in der Luft in seinem Aerofan zum Agatha-Lager geflogen war und auf ganzer Strecke von einer Schnatterente verfolgt wurde. Das Ding konnte sämtliche Abwehreinrichtungen des Lagers durchdringen, wenn es dabei auch schwere Verletzungen erlitt, ignorierte dann aber den Mann und zerschlug vielmehr sein Fahrzeug, ehe es auf dem Weg zurück ins Freie das Leben aushauchte. Sowohl das Lager als

Weitere Kostenlose Bücher