Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
betrachtete. Obwohl beschädigt, sah es doch weiter benutzbar aus, und wenn er sich etwas ins Zeug legte, müsste er es wieder vom Kiesstrand zerren und erneut anwerfen können. Er wollte jedoch nicht aufs Meer zurückkehren. Er wollte sich nicht wieder mit den Sealuroynes konfrontiert sehen. Wollte nicht wieder die Muster in ihren Augen erkennen.Und doch fühlte er sich hier an Land nicht im Mindesten sicher. Man fand hier gefährliche Tiere, wie er wusste, und jetzt murmelte irgendetwas, irgendwo – fast als wäre es in dem Augenblick aufgestört worden, an dem er festes Land erreichte – wie ein Riese, der sich in unruhigem Schlaf wälzte. Er konzentrierte sich darauf und stellte fest, dass der Laut von Ferne kam, irgendwo weit landeinwärts. Dann schien der Laut unvermittelt zurückzuweichen, und Jem verspürte Angst, obwohl er nicht sagen konnte, ob es seine eigene Angst war oder sie aus dieser anderen Quelle stammte. Sobald sie abgeklungen war, schien es, als wäre sie das Einzige gewesen, was ihn an Ort und Stelle gebannt hielt, und er raffte sich auf und ging zum Boot zurück.
    Nachdem er die Schließfächer durchsucht hatte, lud er eine Sammlung von Dingen aus dem Boot und packte sie in eine Tasche, nachdem er etwas Aufblasbares aus dieser entfernt hatte. Ein erneuter Blick auf den Kartenmonitor zeigte ihm, dass eine Durchquerung der Halbinsel nach Godhead nur einen Marsch von zwanzig Kilometern erforderte, aber das hätte bedeutet, die Flötengrasprärie zu durchqueren, bewohnt von der Art Schrecknissen, die er sich immer nur aus dem Aerofan hatte ansehen wollen und die ihn sogar bei einer Flughöhe von fünfzig Metern noch nervös gemacht hatten. Auch konnte er den Kartencomputer des Boots nicht ausbauen, und tragbare Richtungsfinder waren unter der restlichen Ausrüstung nicht zu finden. Wie leicht war es da, erst in die Irre zu gehen und dann zu Tode zu kommen.
    Er fand, dass es besser war, wenn er dem Ufer folgte und die sechzig oder siebzig Kilometer lange Route rings um die Halbinsel zur Hafenstadt nahm. Er wusste nicht, welche Gefahren vielleicht im Übergangsbereich zwischen Meer und Flötengras lauerten, aber auf den offenen Flächen aus Kies und festem Schlamm würde er sie wenigstens frühzeitig entdecken. Sie konnten hier nicht einfach hervorschießen wie eine Schlammschlange aus der Wurzelstockmatte und ihn verschlingen, und sie konnten sich nicht getarnt durch Chamäleonhaut heranpirschen, sodass er erst im letzten Augenblick eine unwahrscheinliche Maulfüllung von Zähnen erblickte, und sie konnten nicht auf ihn herabstoßen wie …
    Jem fand sich unvermittelt am Boden sitzend wieder, mit dem Rücken ans Boot gelehnt. Er zitterte, blickte starr zum blühenden Flötengras hinüber, das wenige hundert Meter landeinwärts begann, und kaltes Grauen hielt seine Eingeweide umklammert.
    »Zum exakt richtigen Zeitpunkt hat ihm der Kapuzler den Verstärker heruntergeschnitten, als dieses Gerät gekapert wurde – hat es ihm heruntergeschnitten und zugleich das Gesicht abgezogen.«
    Er fand keinen Kontext für diese Worte und wusste auch nicht mehr, wo oder wann sie ausgesprochen worden waren. Sicher erkannte er Sanders’ Stimme wieder, konnte aber darüber hinaus nicht viel erkennen, nur irgendeine schattenhafte Gestalt, an die sie sie gerichtet hatte. Und obwohl er wusste, dass sie das für ihn inszeniert hatte, um die Fiktion dieses mythischen Kapuzlers, des Technikers, zu verstärken, so war doch das Grauen unleugbar, das er empfand.
    Wie lange er dort saß, wusste er nicht. Erst als ihm der langsame Countdown des Timers seiner Armbanduhr wieder bewusst wurde, überwand er sich aufzustehen. Für vier Tage reichte der Sauerstoffvorrat seiner Prothese noch – irgendwo unterwegs hatte er einen Tag verloren, aber er wurde einfach nicht schlau daraus, ob das auf dem Meer oder hier an Land geschehen war. Er nahm die Tasche auf, schob sich die Griffe auf die Schultern, um daraus einen Rucksack zu machen, und ging los, und kleine Steinkügelchen waren durch die Sohlen der Sanatoriumspantoffeln deutlich zu spüren. Zunächst strengte ihn das Gehen an; die Beine waren schwach, die Knie weich, und der Atem ging schwer. Auch wurde ihm heiß, aber nach wenigen hundert Metern gelang es ihm, eine gleichmäßige wiegende Gangart anzuschlagen. Nach kurzer Zeit blickte er zurück, stellte fest, dass das Boot nicht mehr in Sichtweite war, und ging dazu über, die Umgebung deutlicher ins Auge zu fassen.
    Wie

Weitere Kostenlose Bücher