Die verlorene Bibliothek: Thriller
versprochen, dass sie wieder zu ihm zurückkommen würde, und sie musste dieses Versprechen halten. »Hier.« Sie griff in ihre Jackentasche, holte das Blackberry heraus und gab es dem Mann vor ihr. Dass sie das Material, das sie bei sich trug, verlor, war ihr egal: Sie hatte Wexler Kopien von Arnos Briefen geschickt, und Michael hatte noch immer zwei von den Originalen. Und der Hinweis sowie das Symbol, die sie in Atatürks Zimmer gefunden hatte, hatten sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Gleiches galt für die Liste; außerdem könnte sie jederzeit Athanasius um eine weitere Kopie davon bitten. Sie war sicher, auch ohne ihr Blackberry weitermachen zu können. Was sie wirklich wahnsinnig machte, war nicht der Verlust, sondern die Vorstellung, solchen Männern die Informationen zu geben.
Jason gab das kleine Gerät an seinen Partner weiter.
»Lad alles runter«, befahl er. »Und schau zweimal nach, dass die Liste nicht weitergeleitet worden ist. Sie hat sie aufgeteilt auf zwei SMS bekommen. Die zweite ist der Schlüssel. Darin stehen die Namen unserer Männer.«
Die Worte hallten in Emilys Ohren wider. Unsere Männer? Obwohl ihr Herz raste, und trotz der beiden Waffen, die auf sie gerichtet waren, fiel ihr die Wortwahl auf. Unsere …
Jason drehte sich wieder zu ihr um. Das Blackberry hatte nun sein Kollege. Er hatte die Waffe weggesteckt und war voll und ganz darauf konzentriert, das kleine Gerät zu manipulieren.
»Wenn Sie schon so kooperativ sind, warum geben Sie mir dann nicht auch noch die Papiere?«
Emily versuchte, Zeit zu schinden, doch Jasons Waffe näherte sich erneut ihrem Gesicht. Wie auch im Falle ihres Handys war klar, dass die beiden Männer bereits wussten, was sich in ihrem Besitz befand. Die Kerle waren wirklich gründlich.
Resigniert holte Emily Arnos Briefe und das Fax mit den Hinweisen aus ihrer Reisetasche und gab auch das dem Mann.
Jason gestattete sich den Hauch eines Lächelns.
»Danke sehr, Dr. Wess«, sagte er. »Sie waren ausgesprochen hilfreich.« Er hielt kurz inne. »Aber Sie haben uns hinter sich herlaufen lassen, und das ist … nicht ganz so günstig.« Er straffte die Schultern und setzte wieder sein hartes, professionelles Gesicht auf. »Der Rat ist Ihnen äußerst dankbar für Ihre großzügige Unterstützung beim Erreichen unserer Ziele, aber es tut mir leid, Sie darüber informieren zu müssen, dass wir Ihre Dienste nicht länger benötigen. Es ist an der Zeit, dass Ihre Rolle endet.« Er schaute über Emilys Schulter hinweg zu dem Mann hinter ihr. »Erledige sie.«
KAPITEL NEUNZIG
21:40 U HR
Emily hörte das Rascheln von Stoff, als der Mann hinter ihr die Waffe hob.
»Warten Sie!«, schrie sie, und ihre Gedanken überschlugen sich. »Sie können mich nicht umbringen!«
»Ich fürchte, da irren Sie sich«, erwiderte Jason amüsiert.
»Nein, ich meine, das geht nicht.« Sie sprach so schnell, wie sie denken konnte. »Nicht, wenn Sie wollen, dass Ihr kleines Spiel in Washington funktioniert.«
Die Worte erregten Jasons Aufmerksamkeit, und er hob die linke Hand, um seinem Partner zu signalisieren, noch einen Moment mit der Hinrichtung zu warten. Er wusste, dass Emily nur versuchte, das Unvermeidliche hinauszuzögern, aber er war bereit, sie anzuhören.
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich«, sagte er. »Sie können unser Projekt nicht mehr zum Scheitern bringen, egal ob tot oder lebendig. Wir sind in Washington fast fertig. Uns kann nichts und niemand mehr aufhalten.«
»Wir können Sie immer noch verraten«, schoss Emily zurück. »Egal wie weit Sie schon gekommen sind, die Welt wird Sie nicht damit durchkommen lassen, wenn Sie erst mal von Ihnen und Ihrem Plan erfährt.«
»Deshalb sind wir ja hier«, erklärte Jason. »Ihr Tod wird sicherstellen, dass genau das nicht passiert.«
»Nicht ganz«, erwiderte Emily. Nun war es an ihr, trotz ihrer Panik einen selbstbewussten Tonfall anzuschlagen. »Der Mann, der mir Ihre kleine Liste geschickt hat, derjenige, der Sie noch zu Fall bringen kann, er erwartet, von mir zu meinen Fortschritten in … in anderen Dingen zu hören.« Emily atmete tief durch und riss sich so gut es ging zusammen. »Und wenn er nicht von mir hört, dann können Sie Ihren Arsch darauf verwetten – oder meinen, wenn Ihnen das lieber ist –, dass diese Namen und alle Informationen, die es sonst noch dazu gibt, binnen weniger Stunden an sämtliche Nachrichtenagenturen der Welt geschickt werden.«
Jason schaute Emily tief in die Augen.
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