Die verlorene Bibliothek: Thriller
sagte Jason. Sein Partner nickte, und die beiden Freunde überließen Emily ihrem Schicksal. Der Sieg war nur noch wenige Stunden entfernt.
KAPITEL ZWEIUNDNEUNZIG
F ÜNFUNDVIERZIG M INUTEN SPÄTER – N EW Y ORK C ITY 15:30 U HR (22:30 U HR IN I STANBUL )
Ewan Westerberg saß nervös in seinem Wagen. Egal wie sehr er seinen Fahrer auch antrieb, es dauerte ihm bis zum Privatterminal des John F. Kennedy-Flughafens einfach viel zu lange. Für den Sekretär des Rates verging die Zeit nur noch im Schneckentempo.
Nachdem der Bericht der Freunde aus Istanbul und das Bild von Holmstrands letztem Hinweis vor fünfundvierzig Minuten die Vermutungen des Rates bestätigt hatten, war alles Notwendige vorbereitet worden. Alle Berater des Sekretärs hatten ihm bestätigt, was er bereits wusste: Alle Informationen deuteten auf ein zeremonielles Gebäude in Oxford. Sämtliche verfügbaren Informationen zu Geschichte, Architektur und Aufbau der Divinity School waren bereits zusammengetragen worden und warteten im Flugzeug auf Ewan. Seine Männer würden jede Einzelheit des Gebäudes genauestens unter die Lupe nehmen und alles für die Ankunft des Sekretärs vorbereiten.
Alles lief rund und glatt. Ewans Männer waren hervorragend ausgebildet, und was sie nun erwartete, war nicht mehr und nicht weniger als das große Ziel, auf das der Rat seit seiner Gründung hingearbeitet hatte.
Ihre ganze Geschichte fand in diesem Augenblick ihren Höhepunkt.
Jason und sein Partner befanden sich bereits auf dem Weg nach Heathrow, während Ewans Jet noch betankt und für den ungeplanten Start vorbereitet wurde. Die Startfenster der FAA kümmerten Ewan dabei nicht. Mit genügend Macht und Einfluss konnte man jede Behörde dem eigenen Willen unterwerfen, und im Fall der Bundesluftfahrtbehörde der Vereinigten Staaten hatten sie das auch schon oft genug getan. Außerdem hatte es gewisse Vorteile, einer der wichtigsten Förderer des Vizepräsidenten zu sein. Sein Flug würde genau in dem Augenblick gehen, wenn er es wollte.
Und dann würde der Rat im Laufe weniger Stunden die beiden größten Erfolge seiner Geschichte feiern. Samstagmorgen würde Ewan die Bibliothek übernehmen und am Sonntag die amerikanische Präsidentschaft. Natürlich würde Ewan nicht persönlich an dem berühmten Schreibtisch im Oval Office sitzen, aber das war auch nie der Plan gewesen. Es reichte, ein Ratsmitglied dort zu platzieren, während Ewan im Hintergrund die Fäden zog. Und gleichzeitig würde er die größte Sammlung von Wissen zur Verfügung haben, die die Welt je gesehen hatte. Sämtliche Nachrichtendienste der Welt würden nicht annähernd über so viele Informationen verfügen wie er. Damit hätte er dann alles unter Kontrolle – wirklich alles!
KAPITEL DREIUNDNEUNZIG
I STANBUL – 22:05 U HR
Als sie schließlich wieder sehen konnte, nahm sie ihre Umgebung nur verschwommen wahr. Sie konnte nicht klar sehen, und auch ihr Gehör funktionierte nicht so, wie es funktionieren sollte. Statt deutlich voneinander zu unterscheidende Geräusche hörte Emily nur ein Rauschen. Dann wurde sie sich nach und nach des pochenden Schmerzes in ihrem Kopf bewusst. Noch nie hatte sie solchen Schmerz gespürt.
Emily rappelte sich mühsam auf und setzte sich mit dem Rücken an die Wand. Mit der einen Hand war sie an eine Regenrinne gefesselt, und mit der anderen strich sie sich vorsichtig über den Hinterkopf. Trockenes Blut verklebte ihre Haare. Wenigstens ist es geronnen, dachte sie und seufzte erleichtert, denn das bedeutete, dass die Blutung zum Stillstand gekommen war. Emily blinzelte, bis sie wieder besser sehen konnte; dann schaute sie sich um. Sie lag noch immer in der kleinen Gasse, wo die beiden Männer sie erwischt hatten, doch die Kerle waren verschwunden.
Warum hatten sie sie nicht getötet und waren einfach weggegangen, überlegte Emily. An ihrem körperlichen Zustand war zwar nichts zu ändern, aber sie konnte zumindest versuchen, ihre Würde wiederzuerlangen.
Emily zog sich eine Haarnadel heraus und wandte sich den Handschellen zu, mit denen sie an die Regenrinne gebunden war. Sie war zwar kein Schlosser, aber als Kind hatte sie oft genug versucht, die Zimmertür und die Schubladen ihres Vetters Andrew zu knacken, wenn sie im Sommer bei ihm zu Besuch gewesen war. Außerdem stellten normale Handschellen auch nicht gerade den Höhepunkt der Schlosserkunst dar. So dauerte es nicht lange, und Emily hatte sich befreit und rieb ihr wundes Handgelenk.
Nicht weit von
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