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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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junge Leute zu treffen. Die Stimmung im Café Polkt war am späten Mittwochnachmittag schon sehr nett. Ich bin zweimal von diesem jungen Mann, von dem ich jetzt erst erfahre, dass er Ludwig Götten heißt und ein gesuchter Schwerverbrecher ist, zum Tanz aufgefordert worden, und beim zweiten Tanz habe ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hat, mit mir auf eine Party zu gehen. Er hat sofort freudig zugestimmt. Er sagte, er sei auf der Durchreise, habe keine Bleibe und wisse gar nicht, wo er den Abend verbringen solle, und würde gern mitgehen. In diesem Moment, als ich mit diesem Götten mich sozusagen verabredete, tanzte Claudia mit einem als Scheich verkleideten Mann neben mir, und sie müssen wohl unser Gespräch mit angehört haben, denn der Scheich, von dem ich später erfuhr, dass er Karl heißt, fragte sofort Claudia in so einer Art witzig gemeinter Demut, ob denn auf dieser Party nicht noch ein Plätzchen für ihn frei sei, er sei auch einsam und wisse nicht so recht, wohin. Nun, damit hatten wir ja unser Ziel erreicht und sind kurz darauf in Ludwigs – ich meine Herrn Göttens – Auto zur Wohnung von Tante Else gefahren. Es war ein Porsche, nicht sehr bequem für vier Personen, aber es war ja auch nicht weit zu fahren. Die Frage, ob Katharina Blum gewusst hat, dass wir ins Café Polkt gehen würden, um jemanden aufzugabeln, beantworte ich mit Ja. Ich habe am Morgen Katharina bei Rechtsanwalt Blorna, wo sie arbeitet, angerufen und ihr erzählt, dass Claudia und ich allein kommen müssten, wenn wir nicht jemand finden würden. Ich habe ihr auch gesagt, dass wir ins Café Polkt gehen würden. Sie war sehr dagegen und meinte, wir wären zu gutgläubig und leichtsinnig. Katharina ist nun mal komisch in diesen Sachen. Um so erstaunter war ich, als Katharina den Götten fast sofort mit Beschlag belegte und den ganzen Abend mit ihm tanzte, als würden sie sich schon ewig kennen.”

30.
    Die Aussage von Hertha Scheumel wurde von ihrer Freundin Claudia Stenn fast wörtlich bestätigt. Lediglich in einem einzigen, unwesentlichen Punkt ergab sich ein Widerspruch. Sie habe nämlich nicht zwei-, sondern dreimal mit dem Scheich Karl getanzt, weil sie früher von Karl als Hertha von Götten zum Tanz aufgefordert worden sei. Und auch Claudia Stenn zeigte sich erstaunt darüber, wie rasch die als spröde bekannte Katharina Blum mit Götten vertraut, ja fast vertraulich geworden sei.

31.
    Es mussten noch drei weitere Teilnehmer des Hausballs vernommen werden. Der selbständige Textilkaufmann Konrad Beiters, 56 Jahre alt, ein Freund von Frau Woltersheim, und das Ehepaar Hedwig und Georg Plotten, 36 bzw. 42 Jahre alt, beide von Beruf Verwaltungsangestellte. Die drei beschrieben den Verlauf des Abends übereinstimmend, vom Eintreffen der Katharina Blum, dem Eintreffen Hertha Scheumeis in Begleitung von Ludwig Götten und Claudia Sterm in Begleitung des als Scheich verkleideten Karl an. Im übrigen sei es ein netter Abend gewesen, man habe getanzt, miteinander geplaudert, wobei sich Karl als besonders witzig erwiesen habe. Störend – wenn man es so nennen könne, denn die beiden hätten es sicher nicht so empfunden -, sagte Georg Plotten, sei die “totale Vereinnahmung von Katharina Blum durch Ludwig Götten” gewesen. Das habe dem Abend einen Ernst, fast etwas Feierliches gegeben, das zu karnevalistischen Veranstaltungen nicht so recht passe. Auch ihr, sagte Frau Hedwig Plotten aus, sei nach dem Weggang von Katharina und Ludwig, als sie in die Küche gegangen sei, um frisches Eis zu holen, aufgefallen, dass der als Karl eingeführte Scheich auf der Toilette Selbstgespräche geführt habe. Übrigens habe sich dieser Karl kurz danach, ohne sich recht zu verabschieden, entfernt.

32.
    Katharina Blum, die noch einmal zur Vernehmung vorgeführt wurde, bestätigte das Telefongespräch, das sie mit Hertha Scheumel geführt hatte, bestritt aber nach wie vor, es habe sich um eine Verabredung zwischen ihr und Götten gehandelt. Es wurde ihr nämlich nicht von Beizmenne, sondern von dein jüngeren der beiden Staatsanwälte, Dr. Korten, nahegelegt, doch zuzugeben, dass, nachdem sie mit Hertha Scheumel telefoniert habe, Götten sie angerufen habe, und dass sie auf raffinierte Weise diesen ins Café Polkt geschickt und ihn veranlasst habe, die Scheumel anzusprechen, um so unauffällig mit ihr bei der Woltersheim zusammenzutreffen. Das sei sehr einfach möglich gewesen, da die Scheumel eine ziemlich aufgedonnerte, auffällige Blondine sei.

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