Die verlorene Ehre der Katharina Blum
trug einen Bademantel aus grüner Baumwolle, der mit
Margueriten bestickt war, war darunter unbekleidet, und als sie von Kommissar
Beizmenne (»ziemlich barsch«, wie sie später erzählte) gefragt wurde, wo Götten
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geblieben sei, sagte sie, sie wisse nicht, wann Ludwig die Wohnung verlassen
habe. Sie sei gegen . Uhr wach geworden, und da sei er schon weg gewesen.
»Ohne Abschied?« »Ja.«
12.
An dieser Stelle sollte man etwas über eine höchst umstrittene Frage von
Beizmenne erfahren, die Hach einmal zum besten gab, widerrief, dann noch
einmal erzählte und zum zweitenmal widerrief. Blorna hält diese Frage für
wichtig, weil er glaubt, daß, wenn sie wirklich gestellt worden sei, hier und
nirgendwo anders der Beginn von Katharinas Verbitterung, Beschämung und
Wut gelegen haben könnte. Da Blorna und seine Frau Katharina Blum als in
sexuellen Dingen äußerst empfindlich, fast prüde schildern, muß die Möglichkeit ,
Beizmenne könnte – ebenfalls in höchster Wut über den entschwundenen
Götten, den er sicher zu haben glaubte – die umstrittene Frage gestellt haben,
hier erwogen werden. Beizmenne soll die aufreizend gelassen an ihrer Anrichte
lehnende Katharina nämlich gefragt haben: »Hat er dich denn gefickt«, woraufhin
Katharina sowohl rot geworden sein wie in stolzem Triumph gesagt haben soll:
»Nein, ich würde es nicht so nennen.«
Man kann getrost annehmen, daß, wenn Beizmenne diese Frage gestellt
hat, von diesem Augenblick an keinerlei Vertrauen mehr zwischen ihm und
Katharina entstehen konnte. Die Tatsache, daß es tatsächlich nicht zu einem
Vertrauensverhältnis zwischen den beiden kam – obwohl Beizmenne, der als »gar
nicht so übel« gilt, es nachweislich versuchte –, sollte aber nicht als endgültiger
Beweis dafür angesehen werden, daß er die ominöse Frage wirklich gestellt hat.
Hach jedenfalls, der bei der Haussuchung zugegen war, gilt unter Bekannten
und Freunden als »Sexklemmer«, und es wäre durchaus möglich, daß ihm selbst
ein so grober Gedanke gekommen ist, als er die äußerst attraktive Blum da so
nachlässig an ihrer Anrichte lehnen sah, und daß er diese Frage gern gestellt oder
die so grob definierte Tätigkeit gern mit ihr ausgeübt hätte.
13.
Die Wohnung wurde anschließend gründlich durchsucht, es wurden einige
Gegenstände beschlagnahmt, vor allem Schriftliches. Katharina Blum durfte
sich im Badezimmer in Gegenwart der weiblichen Beamtin Pletzer anziehen.
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Doch durfte die Badezimmertür nicht ganz geschlossen werden, – sie wurde von
zwei bewaffneten Beamten schärfstens bewacht. Es wurde Katharina gestattet,
ihre Handtasche mitzunehmen, und da ihre Verhaftung nicht ausgeschlossen
werden konnte, durfte sie Nachtzeug, einen Toilettenbeutel, Lektüre mitnehmen.
Ihre Bibliothek bestand aus vier Liebesromanen, drei Kriminalromanen sowie
aus einer Napoleonbiographie und einer Biographie der Königin Christina von
Schweden. Sämtliche Bücher stammten aus einem Buchklub. Da sie dauernd
fragte: »Aber wieso, wieso denn, was habe ich denn verbrochen«, wurde ihr
schließlich von der Kriminalbeamtin Pletzer in höflicher Form mitgeteilt, daß
Ludwig Götten ein lange gesuchter Bandit sei, des Bankraubes fast überführt und
des Mordes und anderer Verbrechen verdächtig.
14.
Als Katharina Blum endlich gegen . Uhr aus ihrer Wohnung fort und zur
Vernehmung geführt wurde, verzichtete man letzten Endes doch darauf, ihr
Handschellen anzulegen. Beizmenne neigte zwar dazu, auf Handschellen zu
bestehen, ließ sich aber nach einem kurzen Dialog zwischen der Beamtin Pletzer
und seinem Assistenten Moeding herbei, darauf zu verzichten. Da wegen der an
diesem Tag beginnenden Weiberfastnacht zahlreiche Hausbewohner nicht zur
Arbeit gegangen und noch nicht zu den alljährlich fälligen saturnalienartigen
Umzügen, Festen etc. aufgebrochen waren, standen etwa drei Dutzend Bewohner
des zehnstöckigen Appartementhauses in Mänteln, Morgenröcken und
Bademänteln im Foyer, und der Pressefotograf Schönner stand wenige Schritte
vor dem Aufzug, als Katharina Blum, zwischen Beizmenne und Moeding, von
bewaffneten Polizeibeamten flankiert, den Aufzug verließ. Sie wurde von vorne,
von hinten, von der Seite mehrmals fotografiert, zuletzt, da sie in ihrer Scham
und Verwirrung mehrmals ihr
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