Die verlorene Kolonie (German Edition)
Weltraums über violett zu einem tiefen Blau verfärbte. Nach Aussage der wenigen Menschen, die schon einmal die alte Erde besucht hatten, war das Blau des Himmels von Yggdrasil noch strahlender als das der Urheimat aller Menschen. Als der Shuttle tiefer sank, tauchten die ersten Schleierwölkchen vor dem Fenster auf. Tief unter sich konnte sie die schroffen Berge der Snow Mountains erkennen, die ganzjährig ihre schneebedeckten Gipfel in den Himmel reckten. Sie wusste, dass einige der Riesen immer noch nicht von Menschen bestiegen worden waren. Sie schüttelte sich allein bei dem Gedanken an tagelange Klettertouren durch den Schnee, zumal in diesen Regionen noch unentdeckte Raubtiere hausen sollten, wie die alten Geschichten erzählten. „Da lobe ich mir den Weltraum, da haben wir klimatisierte Unterkünfte und keine Monster!“ dachte sie einen Augenblick, bis ihr wieder die Kraken in den Sinn kamen. Vor dem Fenster zogen inzwischen die grünen, Baumbedeckten Vorgebirge vorbei, ab und zu durchzogen von einem Fluss oder einer Straße. Die Hügel liefen sanft in die Ebene von Landing aus, die Bäume wichen langsam Feldern, die je nach Vegetation in den unterschiedlichsten Farben im Sonnenschein leuchteten. Sie wusste noch aus ihrer Jugend, dass das strahlende Gelb eine genmanipulierte Abart des Rapses darstellte, dessen Öl aufbereitet zur Schmierung und für Hydrauliken verwendet wurde. Ansonsten musste sie sich ehrlich eingestehen, hatte sie in den Biologiekursen immer nur so viel aufgepasst, wie unbedingt erforderlich war. Während des Biologieunterrichtes hatte sie sich immer viel mehr auf Physik, Mathematik und Chemie gefreut, anstatt sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Plötzlich ertönte ein lautes Rumpeln, das sie aus ihren Gedanken riss. Das Fahrwerk fuhr aus und vor den Fenstern zogen die ersten Vororte von First Landing vorbei. Der Shuttle sank immer tiefer, bis es über der grasbedeckten Umgebung des Raumhafens war. Mit einem leichten Rumpeln des Fahrwerkes setzte es dann pünktlich, wie bei einem Autopilot nicht anders zu erwarten, auf und rollte aus, bis es das Terminalgebäude und seine Parkposition erreichte. Der Andockschlauch verriegelte sich mit einem dumpfen Rumpeln, das leichte Vibrationen durch den Shuttle schickte. Gabby stand auf und griff sich ihre Reisetasche aus dem Gepäckfach. Als sie die Ankunftshalle erreichte, sog sie tief die klare Luft von Yggdrasil ein. „Seit zwei Monaten die erste Luft, die nicht zigmal gefiltert und umgewälzt ist!“ dachte sie dankbar bei sich. „Klimatisierung und künstliche Lebenserhaltungssysteme haben ja was für sich, aber an Natur kommen sie immer noch nicht heran!“ Dank ihrer semiintelligenten Kleidung, die die Temperatur für sie konstant hielt, fror sie auch nicht, obwohl die Temperatur niedriger lag, als sie es aus den Weltraumstationen und Raumschiffen kannte.
Auch auf Yggdrasil gab es das planetenweite System aus computergesteuerten Fahrzeugen. Sie rief sich eines von ihnen über ihren Communikator, das der Zentralcomputer auch sofort am Ausgang des Terminals vorfahren ließ. Diesmal musste sie sich das Fahrzeug mit einem braungebrannten, jungen Mann und seiner Skiausrüstung teilen. Er erzählte ihr von den Pisten der Snow Mountains, bis er fragte: „Sie kommen von Laguna, nicht wahr?“ Gabby lachte. „Eigentlich bin ich Raumfahrer, aber vor drei Monaten war ich auf Laguna. Woran haben sie es erkannt?“ „Ihnen fehlen die weißen Streifen von der Schneebrille.“ grinste er. „Und was treibt sie nach Yggdrasil?“ „Urlaub und endlich mal wieder die Familie und Freunde besuchen. Außerdem hat mir meine Tante soviel von ihrer Wohnung in Woods Cave vorgeschwärmt, da will ich einmal mit eigenen Augen sehen, wie es sich in einem Baum lebt.“
„Sie werden erstaunt sein, wie gut und bequem man in den Bäumen leben kann. Immer gesunde Luft, halbwegs gleich bleibende Temperaturen und dazu die Errungenschaften der modernen Technik.“
Während sie so plauderten, änderte sich draußen die Landschaft. Nachdem das Fahrzeug die Vororte von First Landing verlassen hatte, zogen erst riesige Getreidefelder vor den Fenstern vorbei, die bald durch das leuchtende Gelb der Rapsfelder ersetzt wurden. Es wirkte, als führen sie durch einen leuchtenden gelben Tunnel. Ab und zu überquerte ihr Fahrzeug eine kleine Brücke, die über kleine Flüsschen oder über Bewässerungskanäle führte. Als die Felder endeten, fuhren sie in einen
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