Die Vermessung des Körpers
vergangen, sein Licht stammt also aus dem siebten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Man gerät ins Grübeln, wenn man darüber nachdenkt, was sich auf der Erde alles verändert hat, während das heute sichtbare Licht von Alnilam zu uns unterwegs war.
Wellen oder Teilchen?
Nehmen wir uns einen Augenblick Zeit, Alnilams Licht von seiner Entstehung bis zu dem Augenblick zu verfolgen, in welchem wir esmit den Augen sehen. Licht besteht aus winzigen substanzlosen Energieteilchen, genannt Photonen. In der Schule haben Sie vermutlich gelernt, dass Licht eine Welle ist. Diese Betrachtungsweise ist auch ganz praktisch, da Photonen bestimmte Besonderheiten aufweisen, welche bewirken, dass sie sich wie zu einer Welle gehörig verhalten. Der Lichtstrahl von Alnilam ist aber trotzdem ein Photonenstrom.
Was gern als Wellenlänge oder Frequenz des Lichts bezeichnet wird, wenn man sich dieses als Welle vorstellt, ist lediglich die Energie der Photonen, aus denen der Strahl besteht. Diese sehen unsere Augen als Farbe und lassen uns erkennen, wo sich die Photonen in dem riesigen elektromagnetischen Spektrum befinden, das von Radiowellen und Mikrowellen über sichtbares Licht und bis hin zu hochenergetischen Photonen wie Röntgen- oder Gammastrahlung reicht.
Der Grund dafür, dass sich Photonen häufig wie eine Welle zu verhalten scheinen, liegt darin, dass sie eine sogenannte Phase besitzen, die sich mit der Zeit zyklisch verändert. Es ist etwa so, als hätte jedes Photon eine kleine Uhr eingebaut, deren Zeiger sich sehr schnell um 360 Grad dreht. Zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigt die Phase des Photons in eine bestimmte Richtung, und diese korrespondiert mit der Auf- und Ab-Bewegung einer Welle.
Aus dem Herzen eines Sterns
Die Photonen, die Ihr Auge nach ihrer Reise durchs All erreichen, entstehen durch die atomare Kernschmelze im Herzen eines Sterns. In einem Stern wie der Sonne verschmelzen Wasserstoffkerne miteinander – die winzigen Teilchen im Zentrum der Wasserstoffatome – und bilden Nuklei des nächstschwereren Atoms, Helium. Bei diesem Prozess geht ein klein wenig Masse verloren, die in Energie umgewandelt wird. Dies folgt der berühmtesten wissenschaftlichen Gleichung, die es gibt: E = mc 2 .
Einsteins Formel lässt erahnen, wie dramatisch diese Erzeugung von Energie ist. Das »c«, das in der Gleichung quadriert wird, ist die Lichtgeschwindigkeit. Man erhält also aus einer minimalen Masse eine riesige Energiemenge. Diese Energie wird im Inneren des Sternsin Gestalt von Photonen (und anderen Teilchen) freigesetzt. Sofort danach treffen die Photonen auf andere Teilchen und werden absorbiert, dann werden weitere Photonen ausgestoßen. Dieser Vorgang wiederholt sich wieder und wieder, bis sich das Licht nach und nach einen Weg zur Oberfläche des Sterns gebahnt hat. Vom Beginn des Prozesses kann es über eine Million Jahre dauern, bis schließlich ein Photon die Sonne verlässt.
In Alnilam läuft das ein wenig anders ab, weil er so schnell und so heftig brennt, dass der gesamte Wasserstoff wahrscheinlich längst aufgebraucht ist und andere Elemente produziert werden. Der Effekt ist jedoch derselbe. Nach einer Reihe von Emissionen und Absorptionen in den Tiefen des Sterns dringt irgendwann ein Photon aus der Oberfläche. Es hat nach diesen Milliarden von Absorptionen und Reemissionen nun wesentlich weniger Energie. Anfangs lag seine Energie weit oberhalb des sichtbaren Lichts, sodass das Photon als Gammastrahlung klassifiziert worden wäre. Inzwischen aber hat seine Energie so weit abgenommen, dass es sichtbar geworden ist. Es macht sich auf seinen Weg ins All.
Die 1340-Jahre-Weltraum-Odyssee
Ist das Photon der Oberfläche des Sterns einmal entschlüpft, lässt es sich nicht mehr aufhalten, ohne dass es dabei zerstört wird. Licht muss sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortbewegen, andernfalls kann es nicht bestehen. Und so rast es mit 300 000 Kilometern pro Sekunde durch den Weltraum.
Die gewaltige Photonenmenge, die Alnilam aussendet, erreicht die Erde nur bruchstückweise. Doch ganz, ganz wenige, darunter das Photon, das wir hier verfolgen, sind in unsere Richtung unterwegs. 1340 Jahre lang, 1340 Jahre unserer Zeitrechnung hat das Photon auf seiner Reise durchs All hinter sich gebracht, bis es schließlich in die Atmosphäre der Erde eintaucht. Wenn es Glück hat, wird es nicht von einem Molekül in der Luft absorbiert. Aber mit vielen Photonen geschieht genau das.
Das ist der Grund, warum man mit einem
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