Die Vermessung des Körpers

betrachtet, ist das Bild daher durch Spektralfarben verfälscht.
    Für gewöhnlich wird dieses Problem dadurch gelöst, dass man entweder mit mehreren Linsen in einer komplexen Apparatur arbeitet, in welcher eine konkave Linse die Verfälschungen korrigiert, die durch eine konvexe Linse entstehen – oder man verwendet statt einer Linse einen Spiegel. Auch ein Spiegel kann Lichtstrahlen von verschiedenen Stellen zu einem Punkt fokussieren, aber er macht keinen Unterschied zwischen den Farben. Unter anderem ist dies ein Grund dafür, warum astronomische Teleskope fast immer Spiegel und keine Linsen verwenden, um ihr Licht zu sammeln (ein Spiegelteleskop ist bei gleicher Stärke zudem wesentlich kürzer als ein Linsen-Teleskop).
Wie durch dunkles Glas
    Genau wie bei einem undurchsichtigen Gegenstand ist auch das von einem Spiegel reflektierte Licht nicht mit einem Ball zu vergleichen, der von einer Wand abprallt – zumindest dann nicht, wenn wir dasGanze auf Quantenebene betrachten. Ein Photon, das auf einen Spiegel trifft, könnte in einem beliebigen Winkel reflektiert werden. (Ich verwende hier der Kürze halber »reflektieren«. Behalten Sie bitte im Sinn, dass Photonen überhaupt nicht abprallen – ein Photon wird vom Spiegel absorbiert und ein neues Photon wird reemittiert. Der Effekt ist jedoch, als würde es reflektiert.)
    Stellen Sie sich vor, wie ein Lichtstrahl auf einen Spiegel trifft und von dort auf Ihr Auge reflektiert wird. Die Quantentheorie besagt, dass er nicht zwingend bis zur Mitte des Spiegels eindringen und dort in genau dem Winkel reflektiert werden muss wie in den Optik-Schaubildern, die die meisten von uns in der Schule angefertigt haben. Bei den Photonen bestehen Wahrscheinlichkeiten für jeden möglichen Weg. Sie können an einem beliebigen Punkt auf den Spiegel treffen und in völlig unterschiedlichen Winkeln bis zu unserem Auge reflektiert werden. Wie bereits gesagt, besitzen alle Photonen eine Eigenschaft, die als Phase bezeichnet wird, und diese verändert sich mit der Zeit. Addiert man die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon einen bestimmten Weg nimmt, und die Phase, welche ein Photon entlang dieser Route haben wird, heben sich diese meist auf. Das Endergebnis ist, dass das Licht den Weg nimmt, für den es am wenigsten Zeit benötigt – was in der Regel eine Reflexion im gleichen Winkel bedeutet.
    Doch nur weil sich all diese anderen Wahrscheinlichkeiten gegenseitig aufheben, bedeutet das noch lange nicht, dass sie nicht existieren. Das lässt sich beweisen. Entfernt man den Großteil einer Spiegelfläche und lässt nur einen kleinen Teil nahe der Mitte an ihrem Platz, erhält man von der nunmehr fehlenden Mitte logischerweise keine Reflexion. Klebt man jedoch einige dunkle Streifen auf das verbleibende Stück, und zwar so, dass nur diejenigen Wege übrig bleiben, bei denen sich Wahrscheinlichkeit und Phase ausgleichen, dann beginnt der Spiegel zu reflektieren, obwohl ihn das Licht nun in einer – zumindest für unser Verständnis einer Reflexion – völlig ungeeigneten Richtung verlässt.
    (9) Der Weg des Lichts bei einem Spiegel mit dunklen Klebestreifen
    Eine Reflexion, wie sie die Quantenphysik beschreibt, die also in einem seltsam schrägen Winkel stattfindet, kann man auch sehen, ohne mit Spiegeln und dunklen Klebestreifen herumzufummeln. Sichtbares weißes Licht ist eine Mischung aus verschiedenen Lichtfarben. Jede dieser Farben wird von einem Spiegel mit verschobener »Mitte« und dunklen Streifen in einem anderen Winkel reflektiert. Beleuchten Sie einen solchen Spezialspiegel mit weißem Licht, dann müssten Sie Spektralfarben sehen. Praktisch jedermann besitzt jedoch eine andere Art von Spiegel, der genau dasselbe kann: eine CD oder eine DVD. Drehen Sie diese um, sodass die glänzende Abspielseite nach oben zeigt, und halten Sie sie gegen das Licht. Die Regenbogenmuster, die Sie nun sehen, sind durch Reihen von Vertiefungen in der Oberfläche bedingt, die Wege mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten ausschließen, sodass die verschiedenen Lichtfarben in unerwarteten Winkeln in Ihr Auge reflektiert werden.
Die schmutzigen Farben des Sehens
    Spiegel eignen sich zwar hervorragend dazu, Licht zu fokussieren, ohne es in seine einzelnen Farben aufzuteilen, doch würden Ihre Augen mit Spiegeln statt Linsen nicht funktionieren. Spiegel taugennicht dazu, Licht von Alnilam (oder von sonst wo) bis zu Ihrem Auge zu leiten. Das Auge bedient sich daher einer Linse, und das bringt die