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Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
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Was sehen Sie? Seien Sie so präzise wie möglich. Zählen Sie alles auf, was Sie über das gespiegelte Buch sagen können. Trägt dies zur Erklärung der Funktionsweise eines Spiegels bei?
    Versuchen Sie es zunächst selbst. Ich für meinen Teil sehe Folgendes:
Das Buch im Spiegel ist in Spiegelschrift gedruckt, also umgekehrt von rechts nach links.
Das gespiegelte Buch ist genauso weit vom Spiegel entfernt wie das Buch vor mir.
Die Farben des Buches im Spiegel sind dieselben wie die des Buches auf meiner Seite.
Die Vorderseite des Buches im Spiegel ist die Rückseite meines Buches.
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    Betrachten wir einmal nur die letzte Feststellung. Wenn ich davon ausgehe, dass das Buch im Spiegel ein ganz gewöhnliches Buch ist, dann ist die Rückseite meines Buches zur Vorderseite des Buches im Spiegelbild geworden. Hierin liegt die Erklärung des Spiegelrätsels. Er vertauscht gar nicht rechts und links, sondern vorne und hinten.
    Tatsächlich stülpt der Spiegel ein Bild von innen nach außen. Die Rückseite meines Buches wird zur Vorderseite des Buches im Spiegel. Legen Sie das Buch beiseite und betrachten Sie wieder Ihr eigenes Spiegelbild. Stellen Sie sich vor, Ihre Haut bestünde aus Gummi und ließe sich ablösen. Legen Sie diese imaginäre Haut ab, bewegen Sie sie direkt durch die Spiegeloberfläche und stülpen Sie sie um, ohne sie dabei zu drehen . Ihre Nasenspitze, die bislang in den Spiegel hinein gezeigt hat, zeigt nun aus dem Spiegel heraus. Die Teile Ihres Körpers, die dem Spiegel am nächsten sind, sind auch im Spiegelbild die nächsten. Ihr gesamtes Ebenbild ist von innen nach außen gekehrt worden.
    In Wirklichkeit werden rechts und links gar nicht vertauscht, sodass man auch nicht erklären muss, warum der Spiegel mit oben und unten anders verfährt. Den Grund für die scheinbare Rechts-links-Umkehr liefert unser Gehirn. Wenn Sie Ihr Spiegelbild sehen, versucht Ihr Gehirn, dieses Spiegelbild wie Sie selbst darzustellen. Es kommt der Sache ziemlich nahe, indem es Sie um 180 Grad dreht und wieder in den Spiegel stellt. Bei dieser halben Drehung werden rechts und links vertauscht. Der springende Punkt ist dabei die Erkenntnis, dass nicht der Spiegel für diese Umkehrung verantwortlich ist, sondern das Gehirn, das versucht, die Eindrücke zu interpretieren, die es von dem Spiegel erhält.
    Nun, da das Spiegelrätsel gelöst ist, können wir zu unserer Forschungsreise durchs Universum aufbrechen, indem wir zunächst einen einzelnen, ziemlich ungewöhnlichen Teil unseres Körpers betrachten: ein menschliches Haar.

EIN EINZELNES HAAR
    Nehmen Sie ein Haar auf Ihrem Kopf fest zwischen zwei Finger und reißen Sie es aus. Niemand hat gesagt, Wissenschaft sei eine schmerzfreie Angelegenheit. Wenn Sie es stressfreier gestalten wollen, können Sie aber auch ein Haar aus einer Bürste nehmen. Haben Sie eine Glatze, müssen Sie ein Haar von jemand anderem nehmen – aber fragen Sie vorher besser! Wenn Sie so weit sind, untersuchen Sie, was Sie da haben. Es handelt sich um einen langen, sehr dünnen Zylinder, biegsam und doch überraschend kräftig, wenn man bedenkt, wie dünn er ist.
    Sehen Sie sich das Haar aus größtmöglicher Nähe an. Wenn Sie Zugang zu einem Mikroskop haben, benutzen Sie dieses, andernfalls tut es auch eine Lupe.
    Dieses Haar ist unser Ausgangspunkt für alles – von der Philosophie bis zur Physik. Sie haben Zweifel daran, dass ein Haar philosophisch sein kann? Bedenken Sie Folgendes: Sie sind lebendig, und dieses Haar ist ein integraler Bestandteil ihrer Selbst (zumindest bis Sie es ausgerissen haben). Trotzdem sind die Haare an Ihrem Körper tot – sie bestehen nicht aus lebenden Zellen. Dasselbe gilt für Finger- und Fußnägel. Sie selbst sind also lebendig, aber ein Teil dessen, was »Sie« ausmacht, ist tot.
    Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal einen Fernsehspot sehen, in dem »Nährstoffe« für Ihr Haar angepriesen werden. Man kann Haar nicht füttern. Es ist tot. Gestorben. Hat den Löffel abgegeben. Sie machen sich Sorgen, weil Ihr Haar so leblos wirkt? Das brauchen Sie nicht. So soll es nämlich sein. Es ist also schon erstaunlich, dass viele Haarpflegeprodukte mit dem Begriff der »Nährstoffe« beworben werden, der in diesem Zusammenhang ganz und gar bedeutungslos ist.
    Wir sprechen hier über ein einzelnes Haar, aber natürlich haben Sie (wahrscheinlich) viele mehr als nur ein einziges auf dem Kopf. Ein typischer menschlicher Kopf beherbergt etwa 100 000 Haare. Blonde haben

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