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Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
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»Barriere« zu durchbrechen – wenn so etwas auch nicht gerade regelmäßig eintreten wird. Tatsächlich gibt es mittlerweile gesicherte Experimente, in denen sich Teilchen schneller als das Licht bewegen.
    Das ist die Folge des sogenannten Tunneleffekts. Einer der seltsamen Aspekte der Quantenphysik ist, dass Teilchen keine absolute Position haben müssen. Es gibt lediglich eine Wahrscheinlichkeit, dass sie an verschiedenen Orten sind. Das bedeutet, dass Teilchen durch ein Hindernis springen können, ohne es als Raum durchqueren zu müssen.
    Das klingt reichlich obskur und ungewöhnlich, aber genau so funktioniert die Sonne (und jeder andere Stern). Damit eine Kernfusion stattfinden kann, müssen positiv geladene Protonen unglaublich eng aneinandergepresst werden. So eng, dass selbst die Temperaturen und der Druck auf der Sonne nicht ausreichen, um die Reaktion in Gang zu bringen. Die Sonne scheint nur, weil in jeder Sekunde Milliarden Teilchen diese Barriere der Abstoßung »tunneln« und miteinander verschmelzen.
    Dieselbe Tunnel-Technik wurde verwendet, um Teilchen auf Überlichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Alles deutet freilich darauf hin, dass ein solches Partikelchen den Raum nicht in »Tunneln« durchdringt – vielmehr verschwindet es auf der einen Seite und erscheint im selben Moment auf der anderen wieder. Wenn man sich also vorstellt, dass ein Photon einen Zentimeter mit Lichtgeschwindigkeit zurücklegt, dann einen Zentimeter ohne messbaren Zeitverlust und schließlich einen weiteren Zentimeter mit Lichtgeschwindigkeit, dann hat es die gesamte Strecke mit anderthalbfacher Lichtgeschwindigkeit zurückgelegt – also in diesem Fall 1,5 c, wobei »c« für die Lichtgeschwindigkeit steht.
    Die Neutrinos waren definitiv nicht schneller als das Licht. Aber gesetzt den Fall, sie wären es gewesen, hätte das nicht die spezielleRelativitätstheorie zum Einsturz gebracht, sondern nur einen Umweg um sie herum bedeutet. Doch: Die spezielle Relativitätstheorie hat noch immer Bestand, und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben.
    (7) Schematische Darstellung der Aktivität eines Photons im »Tunnel«
    Auf jeden Fall werden Neutrinos in nächster Zukunft nicht in den medizinischen Werkzeugkasten zur Erforschung des Körpers aufgenommen werden, doch durch die Arbeit von Einrichtungen wie dem IceCube sind sie von Interesse für die Astronomie. Bei der Erforschung des Universums – wie bei der Erkundung des Körperinneren – besitzt Licht die uneingeschränkte Vorherrschaft. Licht ist unser ultimatives Vehikel zur Erkundung des nahen und fernen Raumes und außerdem das Einzige, was unser Körper einigermaßen unbeschadet verträgt.

MIT OFFENEN AUGEN
    Die Augen sind unser mächtigstes Instrument, um die Welt, die uns umgibt, zu verstehen – und ihre Verbindung zum Rest des Universums ist das Licht. In diesem Kapitel werden wir entdecken, was Ihnen Ihre Augen zu sehen ermöglichen und aus welcher Entfernung. Gehen Sie in einer sternklaren Nacht ins Freie und schauen Sie in den Himmel. Das können Sie vielleicht nicht jetzt sofort tun, aber tun Sie es, wenn sich Ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Nehmen Sie sich fünf Minuten, um die Sterne einmal ganz genau zu betrachten. Wenn Sie Zeit haben, holen Sie sich einen Stuhl nach draußen und blicken Sie ein bisschen länger in den Himmel. Das mag zunächst trivial erscheinen, doch ist es eines der beeindruckendsten Erlebnisse, die es gibt.
Im Gürtel des Orion
    Sagen wir, Sie sehen das Sternbild des Orion (zwischen November und Februar ist es auf der ganzen Welt ziemlich gut sichtbar, häufig auch zu anderen Jahreszeiten; und es ist das am leichtesten erkennbare Sternbild). Andere Konstellationen spielen zwar in der Astrologie eine gewaltige Rolle, für die Wissenschaft hingegen sind sie ohne Bedeutung. Sie sind allerdings nützlich, wenn man bestimmte Sterne erkennen will, weil unser Gehirn die Welt in Mustern begreift. Wir suchen andauernd danach – und sehen selbst dort welche, wo keine existieren. Sternbilder wie das des Orion, das »W« von Kassiopeia oder das eindeutig erkennbare Kreuz des Südens springen uns ins Auge, weil die Mustererkennungsmodule unseres Gehirns in ihnen etwas finden, wo sie sich einklinken können.
    Die wenigsten Menschen sehen die Bilder der klassischen Figuren, nach denen die meisten Sternbilder benannt sind – Orion etwa soll ein Jäger mit einer Keule sein. Trotzdem ist diese Sternenansammlung für uns ein hinreichend

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