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Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
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lässt, wurde bereits als Heilmittel gegen die tödliche Krankheit Malaria eingesetzt, doch sie war sehr teuer. Die wesentlich billigere Weidenrinde wurde nun als Ersatz empfohlen, doch lag hier leider ein Irrtum vor. Die Weidenrinde vermag lediglich die Symptome der Malaria zu dämpfen, wohingegen Chinarinde eine wesentlich aktivere Wirkung besitzt. Dieser Irrtum reichte jedoch aus, um dafür zu sorgen, dass Weidenrinde von da an großzügig verabreicht wurde.
    Das einzige Problem mit der Medikation war, dass sie den Patienten auf den Magen schlug. Der aktive Bestandteil, den wir heute als Salicylsäure kennen, half vielleicht gegen Kopfschmerzen und Fieber, aber im Gegenzug störte er die Verdauung, verursachte stechende Magenschmerzen und konnte im schlimmsten Fall sogar Magenblutungen hervorrufen.
    Im Jahr 1899 fand die deutsche Chemiefirma Bayer eine Teillösung. Ein aus der Salicylsäure gewonnenes Produkt namens Acetylsalicylsäure besaß dieselben medizinischen Vorzüge, war jedoch magenfreundlicher. Sie nannten es »Aspirin«, nach dem Kürzel für den deutschen Namen der Verbindung, Acetylspirsäure. Es wurde zu einem der meistverkauften Produkte aus dem Hause Bayer – neben ihrem beliebten Hustenstiller, dem Heroin! Die Bezeichnung »Aspirin« wurde urheberrechtlich geschützt. Nur Bayer durfte es herstellen. Heutzutage ist der Name jedoch in vielen Ländern der Welt frei gebräuchlich, was seltsamerweise aus einem Vertrag resultiert, der einen Krieg beendete: dem Vertrag von Versailles, unterzeichnet am 28. Juni 1919.
    Darin wurde detailliert aufgeführt, welche Reparationen man nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von Deutschland erwartete. Ein Großteil des Vertrags las sich, wie man es erwarten würde: Einzelheiten über Staatsgrenzen, Einschränkung von Bewaffnung und Militarisierung, finanzielle Leistungen und Abbau von Schwerindustrie.Doch unter all diesen großen Punkten ging es auch um das Recht an dem Markennamen »Aspirin«.
    In Deutschland (und 80 weiteren Ländern auf der ganzen Welt) ist »Aspirin« immer noch ein Markenname des Unternehmens Bayer, doch in Großbritannien und anderen Unterzeichnerländern darf er von jedermann verwendet werden. Es erscheint verrückt, dass eine solch unwichtige Frage in einen derart wichtigen Vertrag aufgenommen wurde, doch waren beide Seiten gegen Kriegsende von der Spanischen-Grippe-Pandemie heimgesucht worden, bei der sich Aspirin als fiebersenkendes Mittel bewährt hatte. Es war ein echter medizinischer Durchbruch.
    Auch die folgenden 50 Jahre lang blieb Aspirin ein ungeheuer wichtiges Medikament. Als ich ein Kind war, war es immer noch das einzige allgemein verbreitete und rezeptfreie Schmerzmittel. In den Siebzigern jedoch bekam es Konkurrenz durch das ebenso wirksame, aber wesentlich magenfreundlichere Paracetamol. In den Vereinigten Staaten trägt dies die Bezeichnung Acetaminophen, ist jedoch besser unter Markennamen wie Panadol (von Bayer) oder Tylenol bekannt. Es sah schon so aus, als käme Aspirin vollends aus der Mode, da stellte man fest, dass es geeignet war, um Herzinfarkten und Schlaganfällen vorzubeugen.
    Aspirin mildert Schmerzen und reduziert Entzündungen, indem es ein Enzym namens Cyclooxygenase außer Gefecht setzt. Enzyme sind spezielle Proteine, die chemische Abläufe im Körper fördern. Im Fall der Cyclooxygenase ist die betreffende Reaktion die Erzeugung eines Hormonpaares, das in seiner Mitte Entzündungen verursacht und Schmerzmeldungen an das Gehirn sendet – Aspirin wirkt, indem es diese Reaktion unterbindet. Es wurde jedoch entdeckt, dass Aspirin daneben auch die Fähigkeit einer Verbindung namens Thromboxan hemmt, Blutplättchen verklumpen zu lassen. Blutplättchen sind die Zellen, die das Blut in Wunden gerinnen lassen, doch wenn sie in den Blutgefäßen verklumpen, kann dies den Blutfluss unterbrechen und zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Um dieses Risiko zu minimieren, ist es inzwischen üblich, über lange Zeit einegeringe Dosis Aspirin zu verabreichen. Diese neue Anwendung von Aspirin hat das Medikament wieder beliebt gemacht – jedes Jahr werden rund 35 000 Tonnen davon konsumiert. Wie auch das Koffein ist es eine relativ einfache Chemikalie, die nur in einen kleinen Bereich des komplexen chemischen Signalmechanismus des Körpers eingreift. Aber mit wohltuender Wirkung.
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