Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

grundlegenden funktionalen Einheiten oder die Organisation auf einer höheren Ebene, durch die die Grundbestandteile komplexe Wirkungen hervorbringen. Wir kennen auch nicht alle Feedback-Schleifen, die die Trennung von Wechselwirkungen gemäß ihrer Skala unmöglich zu machen drohen. Wissenschaftler können zwar Modelle entwerfen, aber ohne ein besseres Verständnis der kritischen grundlegenden Elemente oder wie sie zum emergenten Verhalten beitragen, sind Modellbauer mit einem Sumpf von Daten und konkurrierenden Möglichkeiten konfrontiert.
    Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass biologische Modelle dazu entworfen werden, mit bereits vorhandenen Daten übereinzustimmen, aber wir kennen die Regeln noch nicht. Wir haben all die einfachen unabhängigen Systeme noch nicht identifiziert, so dass es schwierig ist zu bestimmen, welches Modell – falls überhaupt eines – richtig ist. Als ich mit meinen Kollegen aus der Neurowissenschaft sprach, schilderten sie dasselbe Problem. Ohne qualitativ neue Messungen ist das Beste, wozu die Modelle in der Lage sind, mit allen vorhandenen Daten übereinzustimmen. Da alle überlebenden Modelle mit den Daten übereinstimmen müssen, ist es schwierig, endgültig zu entscheiden, welche zugrunde liegende Hypothese die richtige ist.
    Es war interessant, mit Nate über die Art von Dingen zu sprechen, die er vorherzusagen versucht. Viele populäre Bücher aus jüngerer Zeit stellen wacklige Hypothesen vor, die erfolgreiche Vorhersagen machen – es sei denn, sie haben eben keinen Erfolg. Nate geht viel wissenschaftlicher vor. Er wurde erstmals berühmt für seine genauen Vorhersagen von Baseballspielen und Wahlen. Seine Analyse beruhte auf sorgfältigen statistischen Auswertungen ähnlicher Situationen in der Vergangenheit, wobei er so viele Variablen berücksichtigte, wie historische Daten für sie zur Verfügung standen.
    Jetzt muss er eine kluge Wahl im Hinblick darauf treffen, wo er seine Methoden anwenden will. Aber er ist sich dessen bewusst, dass die Arten von Korrelationen, auf die er sich konzentriert, manchmal nur schwer interpretiert werden können. Man kann sagen, dass ein brennender Motor einen Flugzeugabsturz verursachte, aber es ist keine Überraschung, einen brennenden Motor in einem abstürzenden Flugzeug zu finden. Was war wirklich die ursprüngliche Ursache? Dasselbe Problem stellt sich, wenn man ein mutiertes Gen mit Krebs in Verbindung bringt. Es verursacht die Krankheit nicht notwendig, auch wenn es mit ihr korreliert ist.
    Nate ist sich auch anderer Fallstricke bewusst. Selbst bei großen Datenmengen können der Zufall und Störungen die interessanten zugrunde liegenden Signale begünstigen oder unterdrücken. Also wird sich Nate bei seiner Arbeit nicht auf Finanzmärkte, Erdbeben oder das Klima konzentrieren. Obwohl er aller Wahrscheinlichkeit nach allgemeine Trends vorhersagen könnte, wären die kurzfristigen Vorhersagen äußerst unsicher. Nate untersucht jetzt andere Gebiete, die durch seine Methoden erhellt werden, z.B. wie man am besten Musik und Filme absetzt oder solche Fragen, wie der Wert von NBA-Superstars festgelegt wird. Aber er gibt zu, dass nur sehr wenige Systeme so genau quantifiziert werden können.
    Trotzdem sagte mir Nate, dass Prognostiker auch eine andere Art von Vorhersage machen. Viele von ihnen beschäftigen sich mit Metaprognosen – und sagen vorher, was Menschen vorherzusagen versuchen.

Kapitel 12
    Messungen und Unsicherheit
    Der vertraute und sichere Umgang mit Statistik und Wahrscheinlichkeit ist nützlich für die Bewertung wissenschaftlicher Messungen, ganz zu schweigen von den vielen schwierigen Problemen der heutigen komplexen Welt. Ich erinnerte mich an die Vorzüge des probabilistischen Denkens, als vor einigen Jahren einer meiner Freunde von meiner »Ich weiß nicht«-Antwort auf seine Frage frustriert war und fragte, ob ich vorhätte, am nächsten Abend einer bestimmten Veranstaltung beizuwohnen. Zu meinem Glück war er ein Spieler und hatte eine mathematische Ader. Anstatt verzweifelt auf einer entschiedenen Antwort zu bestehen, bat er mich, ihm die jeweiligen Chancen zu nennen. Zu meiner Überraschung fand ich, dass diese Frage viel leichter zu beantworten war. Obwohl das Wahrscheinlichkeitsmaß, das ich ihm gab, nur eine grobe Schätzung war, spiegelte es doch meine konkurrierenden Überlegungen und Unsicherheiten besser wider als eine bestimmte Ja- oder Nein-Antwort. Schließlich fühlte es sich wie eine