Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
versuchen, und wenn das der Fall ist, könnten wir in der unmittelbar bevorstehenden Zukunft Belege dafür sehen.
Erinnern wir uns daran, dass wir das Hierarchieproblem auf zwei verschiedene Weisen formulieren können. Wir können sagen, dass es in der Frage besteht, warum die Higgs-Masse – und damit die schwache Skala – so viel kleiner als die Planckmasse ist. Das ist die Frage, die wir erwogen haben, als wir über die Supersymmetrie und Technicolor nachdachten. Aber wir können auch eine äquivalente Frage stellen: Warum ist die Gravitationskraft so schwach im Vergleich mit den anderen bekannten Grundkräften? Die Stärke der Gravitationskraft hängt von der Skala der Planckmasse ab, der gewaltigen Masse, die zehntausend Billionen Mal größer als die schwache Skala ist. Je größer die Planckmasse, desto schwächer ist die Gravitationskraft. Nur wenn Massen sich auf oder nahe der Planckskala befinden, ist die Gravitationskraft stark. Solange die Teilchen viel leichter als die Skala sind, die von der Planckmasse bestimmt wird, wie es in unserer Welt der Fall ist, ist die Gravitationskraft äußerst schwach.
Das Rätsel, warum die Gravitationskraft so schwach ist, ist tatsächlich mit dem Hierarchieproblem äquivalent – die Lösung des einen löst das andere. Aber obwohl die Probleme äquivalent sind, hilft uns die Formulierung des Hierarchieproblems anhand der Gravitationskraft dabei, unser Denken in Richtung auf Lösungen mit Extra-Dimensionen zu steuern. Wir werden uns nun mit einigen der führenden Vorschlägen befassen.
Große Extra-Dimensionen und die Hierarchie
Seit Menschen zum ersten Mal anfingen, über das Hierarchieproblem nachzudenken, dachten die Physiker, dass die Lösung mit modifizierten Wechselwirkungen von Teilchen auf der schwachen Energieskala von etwa einem TeV zu tun haben muss. Wenn es nur die Teilchen des Standardmodells gibt, sind die Quantenbeiträge zur Masse des Higgs-Teilchens einfach zu riesig. Etwas muss darüber hinaus ins Spiel kommen, um die großen quantenmechanischen Beiträge zur Masse des Higgs-Teilchens zu zähmen.
Supersymmetrie und Technicolor sind zwei Beispiele, in denen neue schwere Teilchen an Hochenergie-Wechselwirkungen beteiligt sein und die Beiträge ausgleichen oder sie überhaupt ganz verhindern könnten. Bis zu den 1990er Jahren konnte man alle vorgeschlagenen Lösungen des Hierarchieproblems auf ähnliche Weise kategorisieren, wobei neue Teilchen und Kräfte und sogar neue Symmetrien auf der schwachen Energieskala auftauchten.
1998 schlugen Nima Arkani-Hamed, Savas Dimopoulos und Gia Dvali [64] eine alternative Möglichkeit zur Behandlung des Problems vor. Sie wiesen darauf hin, dass das Problem vielleicht in einem falschen Verständnis der fundamentalen Natur der Gravitation selbst liege, weil es nicht allein nur die schwache Energieskala betrifft, sondern auch ihr Verhältnis zur Skala der mit der Gravitation verbundenen Planckenergie.
Sie vermuteten, dass es in Wirklichkeit überhaupt keine Massehierarchie gibt – zumindest im Hinblick auf die fundamentale Skala der Gravitation im Vergleich mit der schwachen Skala. Vielleicht ist die Gravitation stattdessen im extra-dimensionalen Universum viel stärker, wird jedoch nur in unserer drei-plus-eins-dimensionalen Welt als so schwach gemessen, weil sie durch alle Dimensionen hindurch, die wir nicht sehen, abgeschwächt wird. Ihre Hypothese war, dass die Masseskala, bei der die Gravitation im extra-dimensionalen Universum stark wird, in Wirklichkeit die schwache Masseskala ist. In diesem Fall messen wir die winzige Stärke der Gravitation nicht deshalb, weil sie im Grunde schwach ist, sondern vielmehr weil sie sich durch große nichtbeobachtete Dimensionen erstreckt.
Eine Möglichkeit, dies zu verstehen, besteht in der Vorstellung einer analogen Situation mit einem Wassersprenkler. Stellen wir uns das Wasser vor, das aus diesem Sprenkler austritt. Wenn es sich nur in unseren Dimensionen ausbreiten würde, hinge sein Einfluss von der Wassermenge ab, die aus dem Schlauch austritt, und davon, wie weit es sich bewegen müsste. Wenn es jedoch zusätzliche Raumdimensionen gäbe, würde sich das Wasser auch in diesen Dimensionen ausbreiten, nachdem es aus dem Ende des Schlauchs austritt. Wir würden viel weniger Wasser wahrnehmen, als wir ansonsten an einer bestimmten Entfernung von der Quelle feststellten, weil sich das Wasser auch durch die Dimensionen ausbreiten würde, die wir nicht beobachten.
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