Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
die grundlegenden physikalischen Größen und deren Wechselwirkungen. Diese kleineren Bestandteile sind natürlich ausschlaggebend für komplexe physikalische Verhaltensweisen, an denen viele Bestandteile beteiligt sind, die auf interessante Weise miteinander wechselwirken. Aber unser Fokus liegt hier auf der Bestimmung der kleinsten grundlegenden Bestandteile und ihrem Verhalten.
Bei technischen und biologischen Systemen besitzen die einzelnen Bestandteile des größeren Systems ebenfalls eine innere Struktur. Schließlich sind Computer aus Mikroprozessoren zusammengesetzt, die aus Transistoren zusammengesetzt werden. Und wenn Ärzte in Menschen hineinblicken, stoßen sie auf Organe und Blutgefäße und alles andere, dem man bei einer Sezierung begegnet. Diese Dinge sind ihrerseits aus Zellen und DNA zusammengesetzt, die man nur mit Hilfe fortgeschrittener Technologie sehen kann. Die Wirkungsweise dieser inneren Elemente unterscheidet sich stark von dem, was wir sehen, wenn wir nur die Oberfläche betrachten. Auf kleineren Skalen ändern sich die Elemente. Die beste Beschreibung für die Regeln, denen diese Elemente folgen, verändert sich ebenfalls.
Da die Geschichte der Erforschung der Physiologie in mancher Hinsicht analog zur Erforschung physikalischer Gesetze erfolgt ist und einige der für Menschen interessanten Größenverhältnisse abdeckt, wollen wir einen Augenblick über uns selbst nachdenken und darüber, wie einige Aspekte der vertrauteren Prozesse in unserem Körper aufgeklärt wurden, bevor wir uns der Physik und der Außenwelt zuwenden.
Das Schlüsselbein ist ein interessantes Beispiel, dessen Funktion nur nach einer Sezierung aufgeklärt werden konnte. Im Englischen hat es den Namen »collarbone« (wörtlich: Kragenknochen), weil es oberflächlich wie ein Kragen aussieht. Aber als die Naturwissenschaftler das Innere des menschlichen Körpers untersuchten, fanden sie ein schlüsselförmiges Stück des Knochens, das ihm einen anderen Namen gab, den wir häufig benutzen: Clavicula (Schlüsselbein).
Auch verstand niemand bis zum frühen 17. Jahrhundert den Blutkreislauf oder das Kapillarsystem, das Arterien und Venen miteinander verbindet. Erst damals führte William Harvey akribische Experimente durch, um die Funktionsweise des Herzens und der Blutnetzwerke bei Tieren und Menschen zu erforschen. Obwohl Harvey Engländer war, studierte er Medizin an der Universität von Padua, wo er viel von seinem Mentor Hieronymus Fabricius lernte, der sich ebenfalls für den Blutkreislauf interessierte, aber die Rolle der Venen und ihrer Ventile falsch interpretierte.
Harvey änderte nicht nur unsere Vorstellung der wirklich beteiligten Dinge – Netzwerke von Arterien und Venen, die in einem verzweigten Netz Blut zu den Kapillaren transportieren, welche auf immer kleineren Skalen operieren –, sondern entdeckte auch einen bestimmten Prozess. Blut wird auf eine Weise zu den Zellen gebracht und wieder abgezogen, die sich niemand vorgestellt hatte, bis man tatsächlich hinschaute. Harvey entdeckte mehr als nur eine Liste von Dingen – er entdeckte ein ganzes neues System.
Harvey verfügte jedoch noch nicht über die Instrumente, um das Kapillarsystem im physikalischen Sinn zu entdecken, was Marcello Malpighi erst im Jahre 1661 gelang. Harveys Vorschläge enthielten Hypothesen, die auf theoretischen Argumenten beruhten, welche erst später durch Experimente bestätigt wurden. Obwohl Harvey detaillierte Illustrationen anfertigte, konnte er nicht denselben Auflösungsgrad erreichen, der durch die Verwendung des Mikroskops wie z.B. durch Leeuwenhoek in der Folge erzielt wurde.
Unser Kreislaufsystem enthält rote Blutkörperchen. Diese inneren Elemente sind nur sieben Mikrometer lang – etwa ein Hunderttausendstel der Größe eines Meterstabs. Das ist hundertmal kleiner als die Dicke einer Kreditkarte – ungefähr die Größe eines Nebeltröpfchens und etwa zehnmal kleiner als das, was wir mit bloßem Auge sehen können (was wiederum etwas kleiner ist als ein Haar eines Menschen).
Der Blutkreislauf ist gewiss nicht der einzige Vorgang im Menschen, den die Ärzte im Lauf der Zeit entschlüsselt haben. Und die Erforschung innerer Strukturen beim Menschen endete auch nicht bei der Mikrometerskala. Die Entdeckung völlig neuer Bestandteile und Systeme wurde seitdem auf immer kleineren Skalen wiederholt, und zwar beim Menschen ebenso sehr wie bei unbelebten physikalischen Systemen.
Wenn wir auf der
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