Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Atoms getreu nachzubilden. Unser Sehvermögen beruht beispielsweise auf Phänomenen, die durch Licht sichtbar gemacht werden, das aus elektromagnetischen Wellen besteht. Diese Lichtwellen – die des optischen Spektrums – besitzen eine Wellenlänge, die ungefähr zwischen 380 und 750 Nanometern variiert. Das ist viel größer als die Größe eines Atoms, die nur etwa ein Zehntel eines Nanometers beträgt (siehe Abbildung 14).
Abb. 14: Ein einzelnes Atom ist nur ein Fleck sogar im Verhältnis zur kleinsten Wellenlänge des sichtbaren Lichts.
Das bedeutet, dass eine Erforschung der Verhältnisse innerhalb eines Atoms mit Hilfe von sichtbarem Licht, um zu versuchen, etwas unmittelbar mit unseren Augen sehen zu können, genauso unmöglich ist wie das Einfädeln einer Nadel mit Fausthandschuhen. Die beteiligten Wellenlängen zwingen uns, über die kleineren Größen, die diese allzu sehr ausgedehnten Wellen unmöglich auflösen können, hinwegzugehen. Wenn wir also Quarks oder gar ein Photon buchstäblich »sehen« wollen, verlangen wir etwas von Grund auf Unmögliches. Wir besitzen einfach nicht die Fähigkeit, um uns das Vorhandene visuell auf korrekte Weise vorzustellen.
Aber die Verwechslung unserer Fähigkeit, uns Phänomene bildhaft vorzustellen, mit unserem Vertrauen in deren Existenz ist ein Fehler, den sich Naturwissenschaftler nicht leisten können. Etwas nicht zu sehen oder nicht einmal ein geistiges Bild davon zu haben, bedeutet nicht, dass wir nicht auf die physikalischen Bestandteile oder Prozesse rückschließen können, die auf diesen Skalen auftreten.
Von unserem hypothetischen Aussichtspunkt auf die Skala eines Atoms würde die Welt als unglaublich erscheinen, weil sich die Regeln der Physik extrem unterscheiden von jenen, die für Skalen gelten, die wir von unseren Messstäben bei vertrauten Längen ablesen. Die Welt eines Atoms hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem, woran wir denken, wenn wir uns Materie visuell vorstellen (siehe Abbildung 15).
Abb. 15: Ein Atom besteht aus Elektronen, die um einen zentralen Kern kreisen, der aus positiv geladenen Protonen besteht, von denen jedes Ladungseinheit besitzt, und aus neutralen Neutronen, die keine Ladung haben.
Die erste und frappierendste Beobachtung, die man macht, ist vielleicht die, dass das Atom in erster Linie aus leerem Raum besteht. [26] Der Kern, das Zentrum eines Atoms, hat einen etwa zehntausendmal kleineren Radius als die Umlaufbahnen der Elektronen. Ein durchschnittlicher Kern ist ungefähr 10 -14 Meter, 10 Femtometer groß. Ein Wasserstoffatom ist zehnmal kleiner. Der Atomkern ist im Vergleich zum Atomradius so klein wie der Radius der Sonne im Vergleich zum Radius des Sonnensystems. Ein Atom ist zum größten Teil leer. Das Volumen eines Kerns ist bloß ein Billionstel des Volumens eines Atoms.
Das ist nicht das, was wir beobachten oder fühlen, wenn wir mit unserer Faust an eine Tür klopfen oder eine kühle Flüssigkeit mit einem Strohhalm trinken. Unsere Sinne verleiten uns dazu, uns die Materie als kontinuierlich vorzustellen. Doch auf atomaren Skalen stellen wir fest, dass der Materie größtenteils alles Substantielle fehlt. Nur weil unsere Sinne über kleinere Größen hinweg mitteln, erscheint uns die Materie als massiv und kontinuierlich. Auf atomaren Skalen ist sie es nicht.
Nahezu völlige Leere ist nicht alles, was auf der Skala eines Atoms an der Materie überrascht. Was die Welt der Physik im Sturm erobert hat und sowohl Physiker als auch Nichtphysiker immer noch gleichermaßen vor ein Rätsel stellt, ist die Tatsache, dass selbst die grundlegendsten Annahmen der Newton’schen Physik bei diesen kleinen Abständen versagen. Die Wellennatur der Materie und das Unbestimmtheitsprinzip – Schlüsselelemente der Quantenmechanik – sind entscheidend für das Verständnis der Elektronen im Atom. Sie folgen nicht einfachen Kurven, die jene festgelegten Bahnen beschreiben, die wir häufig in Zeichnungen sehen. Der Quantenmechanik zufolge kann niemand gleichzeitig sowohl den Ort als auch den Impuls eines Elementarteilchens mit unendlicher Genauigkeit messen, was eine notwendige Voraussetzung für die Verfolgung der Bahn eines Objekts durch die Zeit ist. Heisenbergs Unbestimmtheitsprinzip, das 1926 von Werner Heisenberg entwickelt wurde, sagt uns, dass die Genauigkeit, mit der die Position bekannt ist, die maximale Präzision begrenzt, mit der man den Impuls messen kann. [27] Wenn Elektronen sich auf klassischen
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