Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
Vom Netzwerk:
passiert ist.«
    » Weil man mich der Pädophilie und des Mordes bezichtigt hat? Ach, weißt du, macht doch nichts. Kann schon mal vorkommen.«
    » Hör mal, ich hab nie geglaubt, dass das wahr ist.«
    Das ließ mich aufhorchen. Ich schaute ihn kurz an und folgte ihm dann kopfschüttelnd weiter. Es war höchst ärgerlich, dass seine Beine so viel länger waren als meine. Er hatte so einen ungerecht großen Vorteil, wenn es ums Schritthalten ging.
    » Wir mussten dich verhaften, weißt du. Wir hatten keine andere Wahl. Du hattest schließlich mehr als einmal gesagt, dass du die Zusammenarbeit verweigerst.«
    » Und meine Wohnung durchsuchen? In meinen Sachen herumkramen? Mit meiner Mutter sprechen? Dazu musstet ihr mich auch verhaften, ja?«
    In seinem Unterkiefer zuckte ein Muskel. » Spaß hat es jedenfalls nicht gemacht.«
    Er war also dabei gewesen. Ich wandte mich ab und hätte am liebsten mein Gesicht versteckt, weil ich fürchtete, dass mir das Gefühl der Demütigung zu deutlich anzusehen war.
    » Ich hab’s wirklich nicht geglaubt, Sarah. Aber was hätte ich denn sagen sollen? › Sie kann unmöglich schuldig sein, weil ich nämlich mit ihr geschlafen habe ‹ ? Ich kenne dich doch nicht mal– zumindest nicht richtig. Ich hatte nichts Konkretes in der Hand, um es der Beweislage entgegenzuhalten. Bauchgefühl allein reicht eben nicht aus.« Er hatte mit voller Lautstärke gesprochen, und ich sah ihn missbilligend an. Zu spät kam ihm wieder zu Bewusstsein, wo er gerade war, und er schaute prüfend den Korridor auf und ab, um zu sehen, ob es Ohrenzeugen gab.
    » Ich glaube, das ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um darüber zu reden.« Energisch pikte ich mit dem Finger auf den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen; dabei stellte ich mir den Knopf als Blakes Auge vor.
    Er lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. » Ich möchte nicht, dass du glaubst, ich hätte nichts getan, um dich da heute rauszuholen. Ich habe mich wirklich für dich eingesetzt.«
    Ich lachte. » Du begreifst es einfach nicht, stimmt’s? Es ist mir egal. Es spielt nicht die geringste Rolle für mich, ob du nun geglaubt hast, ich sei schuldig oder unschuldig. Es ist mir egal, was du gedacht hast oder jetzt denkst. Ich bin nicht deinetwegen hier, und ich bin auch nicht hier, weil Vickers mich so nett gebeten hat. Ich möchte nur Paul und den Shepherds helfen und dann von hier verschwinden.«
    » Gut«, sagte Blake und biss die Zähne fest aufeinander. » Reden wir nicht mehr drüber, okay?«
    Ich erwiderte nichts. Der Fahrstuhl war leer, und ich stellte mich mit dem Rücken an die eine Wand, so weit weg von Blake, wie ich nur konnte. Er drückte den Knopf für das Untergeschoss, lehnte sich an die andere Seite und verfolgte interessiert die Etagenanzeige, während sich der Fahrstuhl abwärtsbewegte.
    Mir lag noch etwas anderes auf der Seele.
    » Was ist?«, fragte er, ohne mich anzusehen, so als hätte ich gesprochen.
    » Musstest du das vorhin sagen?«
    » Was sagen?«
    » Über Paul, dass etwas zu essen ihn bestimmt aufwecken wird. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sehr ihn das verletzen würde, wenn er dich gehört hätte?«
    » Lieber Himmel, so meinte ich das doch nicht– ich hab noch nicht mal über Paul gesprochen.« Blake seufzte. » Hör zu: Alle zwei Stunden taucht die Verpflegungsmannschaft mit diesem Servierwagen auf. Die rammen praktisch die verdammte Tür damit nieder. Das klingt dann jedes Mal, als würde der Himmel einstürzen, und es würde mich sehr wundern, wenn er davon nicht wach wird.«
    » Oh«, antwortete ich kleinlaut und schaffte es nicht, mehr dazu zu sagen, bevor wir nach geraumer Zeit in der Warteschlange unsere Styroporbecher mit dampfender Flüssigkeit in der Hand hielten. In Blakes Becher schwappte ein graues Gebräu, das als Tee firmierte. Ich hatte mich für Kaffee entschieden. Dieser verhielt sich im Becher wie Teer, und ich hoffte, dass er so stark war, wie er aussah. Blake suchte uns einen Tisch, der weit genug von den anderen Kantinengästen entfernt war, damit wir wenigstens ansatzweise ungestört waren. Wir befanden uns im Altbau des Krankenhauses, und der Raum hatte etwas Höhlenartiges, viktorianische Architektur der düstersten Sorte. Die Wände waren weiß getüncht und mit Bögen verstärkt, und trotz des milden Wetters bollerten die gusseisernen Heizkörper ringsum auf höchster Stufe. Die Fenster, die nur wenig Tageslicht einfallen ließen, reichten vom

Weitere Kostenlose Bücher