Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
Vom Netzwerk:
Boden bis zur Decke, wo sie in einem Halbkreis abschlossen. Zu dieser Abendstunde gab es jedoch ausschließlich künstliches Licht, das von grellen Energiesparlampen unter großen Glasschirmen stammte. Runde Laminat-Tischchen und Stapelstühle aus Plastik bildeten das Mobiliar und nahmen sich vor der schwergewichtigen viktorianischen Kulisse recht armselig aus. Der Kantinenbetrieb war eher ruhig– nur einige der Tische waren besetzt, teilweise von Krankenhauspersonal, teilweise von Patienten im Bademantel, entweder mit ihren Familienangehörigen oder auch allein. Die warmen Speisen, die an der Theke unter Wärmestrahlern vor sich hin dampften, sahen erbärmlich aus, und ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass es die Mühe lohnte, aus dem Bett aufzustehen und zum Abendessen in die Kantine zu kommen.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Tischchens rührte Blake mit äußerster Konzentration in seinem Tee und beachtete mich nicht weiter. Vielleicht hatte Vickers ihn nur mitgeschickt, damit ich ihm nicht entwischte. Vielleicht war er aber auch wirklich der Meinung, dass sein Untergebener eine Pause gebrauchen konnte. In dem unerbittlichen Licht wirkte Blakes Haut fahl und ziemlich grau. Er sah erschöpft aus.
    » Wie geht es dir?«, fragte ich mit plötzlichem Interesse.
    » Geht schon. Bisschen müde.«
    » Wenigstens kommt ihr voran.«
    » Indem wir Leute verhaften, die mit dem Fall nichts zu tun haben.«
    » Hör mal, ganz im Ernst jetzt. Vergiss es einfach. Ich werd’s schon überstehen.«
    Er nahm einen Schluck von seinem Tee und verzog das Gesicht. » Du liebe Güte. Wie ist dein Kaffee?«
    » Heiß«, antwortete ich und beobachtete, wie die Dampfkringel aus dem Becher vor mir aufstiegen. Ich musste unaufhörlich an etwas denken, das Grange zu mir gesagt hatte. » Andy– ich möchte noch etwas wissen. Sie haben heute zu mir gesagt– sie haben gesagt, das Ermittlungsteam hat mich von Anfang an verdächtigt.«
    Er rückte auf seinem Stuhl herum. » Das ist doch nur Routine, Sarah.«
    » Tatsächlich? Weil ich dachte… Als du mich gefragt hast, ob wir zusammen Mittag essen wollen, das gehörte auch dazu, nicht wahr? Du wolltest mehr über mich in Erfahrung bringen. Wahrscheinlich hatte Vickers dich geschickt, oder?«
    Blake war anständig genug, betreten dreinzuschauen. » Das war bestimmt nicht der unangenehmste Job, der mir je übertragen wurde, das kannst du glauben.«
    Während der vergangenen Tage hatte ich mich redlich bemüht, im Hinblick auf Blake keinerlei Mutmaßungen anzustellen. Jegliche Erwartungshaltung hatte ich sorgfältig vermieden. Und ganz sicher hatte ich nicht von einer gemeinsamen Zukunft geträumt. Aber erst in diesem Moment wurde mir restlos klar, dass sich zwischen uns nie wieder etwas abspielen würde. Ich rang mir ein sprödes Lachen ab. » Ich hatte gedacht, du magst mich.«
    » Ich mochte dich auch– ich meine, ich mag dich. Hör mal, Sarah, alles, was seitdem passiert ist, hat nichts mit meinem Dienst zu tun. Ich habe dich vor wie vielen Tagen getroffen? Sechs? Am Anfang wollte ich nur mehr über dich herausfinden. Aber dann haben sich die Dinge geändert.« Er lehnte sich über den Tisch zu mir. » Offenbar denkst du, dass es mir egal ist, was zwischen uns passiert ist. Wenn es rauskommt, kann mich das meinen Job kosten. Es war riskant, Sarah, und dumm, aber ich bereue es keinen Augenblick.«
    Und das Risiko war ein hübscher Nervenkitzel, dachte ich missmutig. » Das passiert dir sicher ziemlich oft– dass Frauen sich dir an den Hals werfen.«
    » Weil ich so ein irre toller Hecht bin«, sagte Blake und seine Stimme triefte vor Sarkasmus. » Ja, das passiert schon ab und zu– natürlich.«
    Mir fiel die Polizistin ein, die mich auf der Wache angestarrt hatte, und Valeries verzweifelte Bemühungen, Blake und mich voneinander fernzuhalten, und ich nahm an, dass es ein bisschen öfter als nur ab und zu passierte.
    » Das heißt aber nicht, dass ich darauf eingehe«, fuhr Blake fort. » Das tue ich nie, wenn es mit meinem Job zu tun hat. Nur bei dir war es anders.«
    » Wie schmeichelhaft«, entgegnete ich lapidar, noch immer in Verteidigungshaltung. » Und trotzdem hast du mich verhaftet– und mich dann nicht mal selbst verhört.« Trotz aller Bemühungen schwang ein verletzter Unterton in meiner Stimme mit.
    » Das ist bei uns Routine«, erklärte Blake hastig. » Glaub bloß nicht, was du im Fernsehen zu sehen bekommst– das ist nie Aufgabe der Ermittlungsbeamten. Grange

Weitere Kostenlose Bücher