Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Denken Sie wirklich, dass er den Tod nicht verdient hat? Ich habe der Welt einen Gefallen getan, Sie blöde Kuh.«
Statt einer Antwort hob sie den Arm, um mir das Handy zu zeigen, das sie in der Hand hielt. Es war ihres. Und das Display leuchtete. » Haben Sie das gehört?… Im Haus der Shepherds. Ja… Einen Notarzt, ja. Mir… mir geht’s so weit gut.«
Sie beendete die Verbindung und ließ das Telefon scheppernd auf den Boden fallen, so als sei es zu schwer für sie. » Selbst wenn er es… verdient hatte , war es bestimmt nicht… ihre Aufgabe , das zu entscheiden.«
Ich ließ sie da liegen und setzte mich wieder an den Tisch, legte die Hände flach vor mich hin und sagte nichts mehr. Ich war gerade dabei, etwas zu lernen, das ich eigentlich längst hätte wissen sollen. Nie hätte ich mir träumen lassen, einmal genau das zu bekommen, was ich wollte, und im gleichen Augenblick zu sehen, wie es in meinen Händen zu Staub zerfiel.
Vor dem Haus wurden jetzt Geräusche laut. Das Funkgerät des Polizisten plärrte, während er gegen die Tür hämmerte und sich schließlich mit der Schulter voran den Weg nach drinnen bahnte. Ganz am Rande nahm ich wahr, dass weitere uniformierte Beamte in die Küche kamen und sich über die Leichen beugten und dass die Rettungssanitäter, die sich um Valerie kümmerten, mich fragten, ob ich ebenfalls ärztliche Hilfe brauchte. Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden. Der Raum war schwarz vor Menschen und voller Lärm, und ich wünschte mir nur, dass sie alle weggingen.
Als Blake kam, hörte ich zuerst seine Stimme, und als ich aufschaute, schob er gerade einen anderen Beamten beiseite. Er hatte seine Augen nur auf mich geheftet, und sein Gesicht wirkte verstört. Er hockte sich neben mich und strich mir das Haar aus dem Gesicht. » Ich dachte, ich habe dich verloren. Ich dachte, du bist auch tot. Wie geht es dir? Hat er dich verletzt?«
Ich saß einfach nur da, starr und unfähig zu sprechen, als er mich so in seinen Armen hielt. Die neugierigen Blicke der Beamten und Sanitäter um uns herum schien er überhaupt nicht wahrzunehmen.
» Was ist denn bloß passiert? Du kannst mir alles erzählen, Sarah, ganz egal was. Es ist okay. Alles wird gut.«
Wenn er es erst wusste, würde er mich nicht mehr wollen. Diese Entscheidung hatte ich getroffen. Und damit musste ich leben.
Über seine Schulter hinweg sah ich Vickers. Er erfasste die Situation mit einem Blick, und ging um Diane Shepherds Körper herum, um mit Valerie zu sprechen. Er beugte sich zu ihr hinunter. Sie lag schon auf der Trage, mit der sie gleich zum Krankenwagen gebracht werden sollte. Ihr Gespräch konnte ich nicht hören, doch als Vickers sich wieder aufrichtete, war sein Blick sehr finster.
» Andy«, sagte er und berührte Blake an der Schulter, » stellen Sie doch bitte sicher, dass mit Val alles klargeht. Bringen Sie in Erfahrung, in welches Krankenhaus sie gebracht wird. Ich muss mit Sarah reden.«
Ich sah, dass Blake widersprechen wollte, und schaffte es, ihm ein winziges bisschen zuzulächeln und zu flüstern: » Geh schon.«
Da ging er. Ich sah ihm nach, und mein Herz wollte zerreißen, denn ich wusste, was sie ihm erzählen würde. Und ich wusste auch, was er dann dachte.
Dann sah ich Vickers an und sagte: » Er war also nicht bei Ihnen. Er hat nicht gehört, was Sie gehört haben.«
Er schüttelte den Kopf. » Ich habe ihn nur angerufen und ihm gesagt, dass wir uns hier treffen. Aber er wird es natürlich erfahren.«
Ich sah zur Seite. » Natürlich.«
» Sarah, hören Sie mir gut zu.« Vickers zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Er beugte sich zu mir und griff nach meinen Händen. Seine Stimme war so leise, dass niemand außer mir ihn verstehen konnte. » Hören Sie bitte einfach zu. Sie sind eine verletzliche junge Frau.«
Ich lachte. » Erzählen Sie das mal Michael Shepherd.«
Eindringlich drückte er meine Hände, und ich schaute überrascht auf. Sein Gesicht wirkte ernst, und seine Stimme klang sehr bestimmt. » Sie sind halb so groß wie Michael Shepherd. Er hat Valerie angeschossen, seine Frau vor Ihren Augen ermordet und gestanden, seine Tochter getötet zu haben. Ist doch so?«
» Ja.«
» Sie hatten Angst um Ihr Leben.«
» Ja.«
» Er hat damit gedroht, Sie umzubringen.«
» Ja.«
» Dann hat er Sie angegriffen.«
Ich sah Vickers Gesicht und wusste, dass ich jetzt lügen sollte.
» Sie hatten keine andere Wahl, als sich zu wehren. Sie haben
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