Die verratene Nacht
Klopfen an der Seite der Tür.
Theo zog seine Füße von der Couch runter, als er Sam erblickte. „Hey“, sagte er und schüttelte sich die letzten Reste von Sorge ab.
Der Junge hatte ein Tablett mit Essen drauf – Vonnie sei gepriesen! – und er stellte es auf dem Tisch neben dem Monitor ab, der immer noch an war. Ein toller Bildschirmschoner, genau betrachtet – denn das Bild vom Kult von Atlantis leuchtete da hell und sichtbar. War wahrscheinlich auf ewig in den Bildschirm eingebrannt.
„Hab dir das hier gebracht“, sagte Sam. Er zeigte auf das Essen, aber er schaute auf die Monitore. „Ich will, dass du mir die hier beibringst. Was du da machst. Hey.“ Er erstarrte und die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf, als er Theo ansah. Ein Verdacht, und vielleicht ein wenig Furcht, glomm da auf. „Ich hab das schon einmal gesehen.“
Er zeigte jetzt auf das Labyrinth-artige Symbol.
„Ach ja?“, fragte Theo ganz beiläufig, während er einen Schluck von dem gesüßten Tee trank, gut gegen den ausgetrockneten Mund. Und einen kurzen Blick in die Runde warf, um sicherzustellen, dass Selena keine Anzeichen ihres Hierseins hinterlassen hatte. „Wo denn?“
„Die Elite. Wenn sie hierher kommen, haben sie es manchmal auf ihrer Liste. Ich glaube, ich habe es einmal als Tattoo am Arm von jemandem gesehen.“
„Kommen die oft hierher?“, fragte Theo, während er jetzt die dicke Scheibe Brot kostete. Dick mit Butter bestrichen, noch ein klein wenig warm, schmeckte es einfach himmlisch. Zucchini-Brot. Und Rührei. Vonnie war eine Göttin. Er könnte sie glatt heiraten.
„Ja. Ein oder zwei Mal im Jahr. Was machst du gerade?“ Sam hatte ein paar Schritte nach vorne getan und sah aus, als wolle er die Tastatur anfassen. Faszination kämpfte gegen Furcht und er zögerte.
„Nur zu. Probier’s aus.“ Theo kam rüber und schob die Tastatur von dem zweiten Computer zu ihm hin. Genau auf die Stelle, wo der nackte Hintern von der Mom dieses Jungen vor wenigen Stunden gesessen hatte. Bei der Erinnerung errötete er fast und musste seine Gedanken wieder ins Hier und Jetzt zurück holen. Jep, es hatte ihn schlimm erwischt, wenn er derlei Gedanken zur Mutter des Jungen hatte, während der Junge hier war.
„Ich weiß nicht, was ich damit machen soll“, sagte Sam. Aber er sank auf den Stuhl und klickte auf ein paar der Tasten.
„Warum kommen die Elite – oder die Kopfgeldjäger – hierher?“, fragte Theo.
Er hatte eine Auswahl von Horrorgeschichten über die Elite – oder die Fremden – gehört, und ihre Besuche in den Siedlungen. Manchmal waren die ganz unspektakulär, aber andere Besuche zogen gelegentlich Folgen nach sich. Nur ein paar Monate zuvor hatten er und Elliott Drake versucht ein paar Teenager – etwa im Alter von Sam – davor zu retten, in die Sklaverei bei den Elite verschleppt zu werden. Die Fremden hatten die Teenager ausgetrickst und süchtig gemacht nach Kristallpulver, die postapokalyptische Variante von Crystal Meth, und hatten sie mit dem Versprechen von mehr davon aus Envy raus gelockt. „Du solltest dich von ihnen fernhalten.“
„Das ist auch, was Mom sagt.“, erwiderte Sam. Er tippte gerade, wie ein Huhn Körner pickt, auf die Tasten und schrieb Unsinn auf den Kodierungsbildschirm. Theo ließ ihn ein Gefühl dafür entwickeln.
„Hör auf sie. Ich habe viele schlimme Dinge mitangesehen, die wegen ihnen passieren.“
Sam hielt inne und schaute zu ihm hoch, seine Augen misstrauisch. „Du scheinst irgendwie viel älter, als du bist. Ich meine, als du aussiehst.“
„Das bin ich“, entgegnete Theo. Nicht dass der Junge ihm glauben würde, aber zu lügen war nie ein guter Grundsatz. „Was tun sie denn, wenn sie kommen?“
Aber Sam bekam keine Gelegenheit zu antworten, denn sie hörten das Geräusch von Schritten, gefolgt von der Stimme seiner Mutter, die nach ihm rief. Wie der Blitz sprang der Junge von seinem Stuhl hoch, schneller als Theo ihn je in Bewegung gesehen hatte, und war schon auf der anderen Seite des Zimmers und versuchte jetzt nicht auf die Flipperautomaten und Spielkonsolen zu schauen, als Selena auftauchte.
„Vonnie sagte mir, du wärst hier oben“, sagte sie nur und schaute dabei beide an, aber redete mit Sam. Ihr kurzer Blick zu Theo war unpersönlich gewesen, aber vor ihrem Sohn sie gab sich meist so. Es bedeutete nicht notwendigerweise etwas. „Sammy, du und ich sind schon lang überfällig für ein Gespräch, glaube ich.“
Theo versuchte, sie nicht
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