Die verschollene Flotte: Die Wächter: Roman (German Edition)
Victoria Rione ihm einen Blick zu, der sich zu seinem Schrecken nur unwesentlich von dem Blick unterschied, mit dem Tanya ihn bedacht hatte.
»Sie ist ein richtiges Früchtchen, nicht wahr?«
»Sie meinen Colonel Morgan«, sagte er und sah Rione skeptisch an. »Wenn sie doch so eindeutig Sie und andere Leute provoziert, dann frage ich mich, warum sie gemeinsam mit Colonel Malin hergeschickt wurde.«
»Oh, das lässt sich leicht erklären.« Rione lächelte ihn amüsiert an. »Zunächst einmal hätte es sein können, dass Sie von dem, was Colonel Morgan Ihnen angeboten hat, angetan gewesen wären, um es einmal so auszudrücken. Sie wären nicht der erste Mann, der auf einen solchen Köder anspringt, und wenn Sie das getan hätten, dann wäre es ihnen möglich geworden, das auf vielerlei Weise auszunutzen. Zum Beispiel hätte es sein können, dass Sie auf deren Vorschlag eingehen, weil Sie sich erhoffen, enger mit Colonel Morgan zusammenzuarbeiten.«
Geary wurde bewusst, dass seine Verärgerung über ihre Worte wenigstens zum Teil in der Erkenntnis begründet war, dass ihm ein solcher Gedanke tatsächlich hätte kommen können. »Ich würde niemals …«
»Ich sage auch nicht, dass Sie das würden, Admiral, aber ich vermute, dass noch zwei andere Gründe für ihre Anwesenheit gesprochen haben. Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie und Ihr Captain umso positiver auf Colonel Malin reagiert haben, je unsympathischer Ihnen Colonel Morgan wurde? Sie hat Sie beide dazu gebracht, Malin leichter zu akzeptieren.«
»Verdammt.« Zu gern hätte Geary auch in diesem Punkt widersprochen, aber ihm war klar, wie viel Wahrheit in ihren Worten steckte.
»Das ist noch nicht alles. Wenn ich mich auf meine Kenntnisse über die Körpersprache verlassen kann, dann vertrauen sich die beiden gegenseitig so wenig, wie wir ihnen vertrauen. Ich glaube, wir können davon ausgehen, dass Colonel Morgan und Colonel Malin sich untereinander argwöhnisch beäugt haben.«
Der Gesandte Charban beobachtete Rione mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, dem soeben klar wurde, wie viel er noch zu lernen hatte. »Sie verhalten sich immer noch wie Syndiks, nicht wahr?«, warf er ein. »Ein Dutzend Dinge laufen da gleichzeitig ab, hinter allem verbirgt sich noch etwas, und alles ist untereinander verstrickt.«
»Damit kennen sie sich aus«, erwiderte Rione. »Und sie beherrschen dieses Handwerk, wenn man es denn als solches bezeichnen will.« Sie betätigte einige Tasten. »Haben Sie das hier gesehen? Die Sensoren hier im Raum haben das aufgefangen.«
Beim aufgezeichneten Bild von Morgan wurde an einem Handgelenk ein Objekt leuchtend hervorgehoben, welches so sorgfältig an ihre Haut angepasst worden war, dass man es mit dem bloßen Auge nicht erkennen konnte. »Was ist das?«, fragte Geary.
Rione betätigte weitere Tasten, dann sah sie zwischen ihm und Charban hin und her. »Keine Bedrohung, dann wären Sie darauf aufmerksam gemacht worden. Es handelt sich um ein sehr hochentwickeltes Aufzeichnungsgerät, und wenn ich mich
nicht irre, ist es versiegelt, damit weder Morgan noch Malin irgendwelche Manipulationen vornehmen können.«
»Dann vertraut man ihnen also auch nicht«, kommentierte Charban.
»Könnte sein. Auf jeden Fall würde Präsidentin Iceni so einen exakten Mitschnitt dieser Unterhaltung erhalten. Das könnte erklären, warum sie zwei von Drakons Leuten die Erlaubnis gegeben hat, Ihnen ihren Vorschlag zu überbringen.« Rione stützte den Kopf auf ihrer Hand ab. »Aber dieser Plan, den sie vorschlägt … der könnte funktionieren.«
»Können wir es wagen, ihnen zu vertrauen, dass sie ihn auch so ausführen werden?«, fragte Charban. »Und wem vertrauen wir? Drakon und Iceni? Oder Morgan und Malin?«
»Allen oben Genannten«, meinte Geary, woraufhin Charban ihm lächelnd zunickte, da er die Pointe verstanden hatte. Irgendwann vor langer Zeit war man bei der Flotte dazu übergegangen, in Tests bei fast allen Multiple-Choice-Fragen als eine der Antwortmöglichkeiten »Alle oben Genannten« vorzugeben. Auch wenn Charban so wie Rione als Gesandter der Regierung die Flotte begleitete, hatte Geary mit dem im Ruhestand befindlichen General der Bodenstreitkräfte mehr gemeinsam als mit der Politikerin Rione.
Die seufzte in diesem Moment überzogen dramatisch. »Drakon und Iceni hätten die zwei nicht hergeschickt, wenn sie ihnen nicht vertrauten … Nein, ›Vertrauen‹ ist das falsche Wort. Allerdings weiß ich auch nicht, wie der richtige
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